taz.de -- Ikea-Katalog für Orthodoxe in Israel: Da fehlt doch jemand

Die israelische Ikea-Filiale hat einen eigenen Katalog für ihre orthodoxe Kundschaft herausgebracht. Darin ist jedoch keine einzige Frau abgebildet.
Bild: In der Welt der ultraorthodoxen Charedim gilt eine strenge Trennung der Geschlechter

Auf den ersten Blick erscheint die im Ikea-Katalog abgebildete Familienidylle geradezu fortschrittlich. Papa bereitet seinen beiden Söhnen, die schon am Esstisch sitzen, wie selbstverständlich das Frühstück. Weil seine Frau arbeiten ist oder mit Freundinnen einen Ausflug macht?

Falsch. Mama taucht in dem Katalog nämlich weder am Arbeitsplatz auf noch beim Picknick am Strand. Und auch nicht Schwestern, Tanten, Omas, Nachbarinnen, Töchter. Kurz: Alle, die in der frommen Welt der Charedim – der jüdischen „Gottesfürchtigen“ – ohne Kippa herumlaufen, also ohne die Kopfbedeckung der frommen Männer, existieren schlichtweg nicht in dieser Sonderausgabe des israelischen Ikea-Katalogs.

Die israelische Frau ist Kummer mit dem religiösen Sektor schon lange gewohnt. Singen ist nicht erlaubt, wenn fromme Männer in der Nähe sind, und im Bus der Ultraorthodoxen geht es für die Frau auf die hinteren Bänke. Wen überrascht es da noch, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel in den orthodoxen Medien [1][vom Gruppenfoto internationaler Gipfeltreffen verschwindet] und Zeitungen für ihren frommen Leser sogar die Namen von Politikerinnen verändern. Dass nun aber ausgerechnet das schwedische Unternehmen Ikea diesen Wahnsinn unterstützt, löste selbst unter gottesfürchtigen Jüdinnen in Israel Proteste aus. Mit einer Entschuldigung allein sei es nicht getan, hieß es.

Im Hauptquartier des Möbelkonzerns [2][herrscht Betretenheit]. Derartige Botschaften unterstütze man nicht, hieß es aus Stockholm. Der frauenfreie Katalog ginge allein auf das Konto der israelischen Filiale.

Gut 10 Prozent machen die Frommen im Judenstaat aus. Die meisten sind kinderreich. Baby-Outfit, Kinderwagen und Doppelbett kriegen deshalb in dem Sonderkatalog besonders viel Raum. Ebenso Bücherregale, in denen die heiligen Schriften verstaut werden können. Frauen haben in dieser Welt keinen Platz.

22 Feb 2017

LINKS

[1] https://www.theguardian.com/world/2015/jan/14/israeli-newspaper-hamevaser-merkel-women-charlie-hebdo-rally
[2] http://www.haaretz.com/israel-news/1.772472

AUTOREN

Susanne Knaul

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