taz.de -- 80 Euro mehr für ErzieherInnen: „Mit Sicherheit nicht das letzte Wort“

Die Lohndifferenz bleibt: Gewerkschaftschefin Doreen Siebernik über die Einigung im Tarifkonflikt im Öffentlichen Dienst der Länder.
Bild: Mehr Geld, aber noch nicht ganz zufrieden: Warnstreikende ErzieherInnen im Februar.

taz: Frau Siebernik, nach zwei Warnstreiks, vor allem der Erzieherinnen und Lehrer, haben sich die Gewerkschaften Freitagnacht mit der Tarifgemeinschaft der Länder auf 4,35 Prozent mehr Lohn für die Angestellten des öffentlichen Diensts geeinigt. Geht so, die Ausbeute, oder?

Doreen Siebernik: Naja, wir hatten sechs Prozent gefordert, wir haben 4,35 Prozent binnen zwei Jahren durchgesetzt – das ist durchaus okay. Das gleicht die Inflationsrate aus und damit wird auch der Anschluss zum Tarifvertrag des Bundes und der Kommunen, dem TvöD, hergestellt. Das war uns wichtig.

Konkret bekommen Erzieherinnen, für die Sie sich in diesem Tarifkonflikt besonders eingesetzt haben, nun eine Zulage von 80 bis 100 Euro. Der Gehaltsunterschied zu den Angestellten bei Bund und den Kommunen beträgt aber bis zu 430 Euro. Können Sie den Unmut vieler Erzieherinnen über das Ergebnis nachvollziehen?

Klar, die Lohndifferenz ist zum Teil noch gewaltig. Aber man kann es auch so sehen: Diese Zulage ist mit Sicherheit nicht das letzte Wort. Wir werden uns jetzt sehr schnell mit dem Finanzsenator [Matthias Kollatz-Ahnen, d. Red.] zusammensetzen und überlegen, welchen Spielraum es auf Landesebene im TV-L gibt. Immerhin braucht Berlin in den Kitas und Schulhorten bis 2020 3.000 Erzieher und Erzieherinnen, wie auch die Senatsbildungsverwaltung weiß. Diese Ausbildungskapazitäten hat Berlin selbst nicht. Aber wenn wir Fachkräfte von außerhalb anwerben wollen, muss die Bezahlung schon stimmen.

Welchen „Spielraum“ sehen Sie denn konkret?

Es gibt im TV-L den Paragraph 16 Absatz 5: Wenn akuter Mangel in einem Berufsstand herrscht, ist eine tarifliche Höherstufung um ein bis zwei Gehaltsgruppen möglich. Aber wir könnten uns auch Arbeitsentlastungen vorstellen, etwa eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung für Lehrkräfte.

Apropos die Lehrer: Für die gibt es jetzt ab einer bestimmten Gehaltsgruppe die Erfahrungsstufe 6 – geleistete Dienstjahre werden also stärker als zuvor honoriert. Sie sind damit nicht ganz zufrieden. Warum?

Die drei Prozent mehr Gehalt, die das ausmacht, sind zu wenig. Damit bleibt eine Ungleichheit zu denjenigen, die beim Bund und den Kommunen angestellt sind und derzeit fünf Prozent mehr verdienen. Nehmen Sie eine Lehrerin mit 5.000 Euro Bruttogehalt nach dem TV-L, da sind fünf Prozent Unterschied nicht wenig.

Ursprünglich wollten Sie einen eigenen Tarifvertrag für die angestellten Lehrer. Jetzt begnügt man sich mit Zulagen auf Basis der Entgeltordnung, die der Deutsche Beamtenbund mit der TdL ausgehandelt hat – und die Sie bisher kritisiert haben, weil man damit abhängig sei von Beamtenrecht.

Wir haben beschlossen, dass wir diese Kröte schlucken. Jetzt geht es darum, Perspektiven aus diesem Zulagensystem zu entwickeln.

20 Feb 2017

AUTOREN

Anna Klöpper

TAGS

Gewerkschaft GEW
Erzieherinnen
Warnstreik
Lehrkräfte
Kita-Streik
Awo
Kitas
Kitas
Öffentlicher Dienst
Streik
Gewerkschaft GEW

ARTIKEL ZUM THEMA

Kita-Warnstreik in Berlin: Mal gucken, was geht

Rund 2.500 ErzieherInnen beteiligen sich an einem ersten Warnstreik in der laufenden Tarifrunde. Dutzende Kitas bleiben bis mittags geschlossen.

Streik in Awo-Kitas: 500 Euro Lohnlücke

Trotz Fachkräftemangel bezahlt die Awo ihre ErzieherInnen schlecht: Verdi ruft zum dritten Warnstreik in diesem Jahr. Eltern organisieren Soli-Demo.

Erziehermangel in Berlin: Mehr Lohn könnte helfen

Erzieher verzweifelt gesucht: Fachschulen berichten über sinkende Bewerberzahlen. Zugleich steigt der Bedarf an Kita-Plätzen immer weiter.

100-Tage-Programm der Koalition: Turbogang für Kitaplatzausbau

Erste Zwischenbilanz im Jugendausschuss: Dank standardisierter Fertigbauten sollen kurzfristig 3.000 Plätze entstehen.

Arbeitskampf in Berlin: Hohe Streikbereitschaft

8.000 angestellte Lehrer- und ErzieherInnen beteiligten sich am ersten Streiktag der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Berlin. Etwa die Hälfte der städtischen Kitas blieb zu.

Tarifstreit öffentlicher Dienst: Der Druck steigt

Viele landeseigene Kitas und Schulhorte bleiben Dienstag und Mittwoch geschlossen. Auch Verwaltung und Polizei streiken.

GEW und Berliner Senat einigen sich: Streik der LehrerInnen abgesagt

Überraschende Einigung: Finanzsenator Kollatz-Ahnen (SPD) lässt mehr Geld für angestellte Lehrkräfte springen. Der Warnstreik der GEW fällt aus.