taz.de -- Kommentar Neue Konflikte im Kongo: Auf der Kippe
In der kongolesischen Provinz Kasai werden Aufstände brutal bekämpft. Das Regime verspielt so letzte Reste an Vertrauen.
Mitten in Afrika lebt ein Riesenstaat in einem politischem Vakuum. Die Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo 2016 zum Ende der Amtszeit von Präsident Joseph Kabila fanden nicht statt. Der Wirtschaftsaufschwung hat sich verflüchtigt. Und nun löst sich auch der Frieden, auf den die größte UN-Mission der Welt seit fünfzehn Jahren hinarbeitet, in der heißen Luft von Kasai auf.
Die brutale Aufstandsbekämpfung in den Kasai-Provinzen durch Kongos Staatsmacht ist symptomatisch für den Zustand des Landes. Während in den Millionenstädten moderne Teerstraßen und glitzernde Hochhäuser wachsen, wächst auf dem Land eine ganze Generation ohne Perspektiven heran, weit außerhalb des Wahrnehmungshorizontes der Regierenden und ihrer internationalen Partner.
Freie Wahlen, bei denen die in Kasai starke Opposition gute Chancen hätte, könnten daran vielleicht etwas ändern. Aber nach der Wahlabsage 2016 steht jetzt auch die Einigung auf Wahlen Ende 2017 und eine von der Opposition geführte Übergangsregierung auf der Kippe.
Grund ist der plötzliche Tod des Oppositionsführers Étienne Tshisekedi, der selbst aus Kasai stammt und dort wie ein Prophet verehrt wird. Die Opposition will den in Belgien Verstorbenen erst wieder in die Heimat überführen, wenn das Kabila-Regime die versprochene Übergangsregierung einsetzt. Das Regime will sich nicht mit einem Toten erpressen lassen.
Inzwischen werden Wahlen dieses Jahr immer unwahrscheinlicher. Dann aber könnte Kasai bald überall sein. Wie brenzlig die Lage ist, zeigen die absurden Vorgänge rund um das internationale Amani-Kulturfestival im ostkongolesischen Goma an diesem Wochenende: Dort wollten die Organisatoren einen Aufruf zum Frieden unterbinden – als mögliche Provokation gegen die Regierung. Kongos Staatsmacht ist dabei, das Vertrauen, dass sie zeitweise genoss, komplett zu verspielen.
14 Feb 2017
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Einem Aufruf der Opposition zur Großdemonstration gegen Präsident Kabila in Kinshasa wurde nicht gefolgt. Die Straße gehörte der Polizei.
Erstmals seit über acht Jahren verringert der Sicherheitsrat der Vereinten Natioen die maximale Größe der größten UN-Mission der Welt.
Die zwei im Kongo vermissten UN-Experten sind tot. Ihre Leichen wurden in der Provinz Kasai gefunden. Das alles ist kein Zufall.
Der UN-Sicherheitsrat debattiert über die aktuelle Lage im Kongo. Dabei wird einmal mehr die Krise der Friedensmission Monusco deutlich.
Alle Kongolesen bekommen neue biometrische Wahlausweise. „Es funktioniert gut, solange wir Strom haben“, sagt der Wahlhelfer.
Der Regierungshaushalt Kongos beträgt sechs Milliarden Dollar, die Wahl soll 1,8 Milliarden kosten. Nun erklärt der Finanzminister, das sei zu teuer.
Das Amani-Festival in Goma soll ein Zeichen setzen gegen den Hass. Über eine ungewöhnliche Veranstaltung an einem ungewöhnlichen Ort.
In der traditionell aufsässigsten Region des Landes greift ein Aufstand um sich. Der Staat antwortet mit brutaler Gewalt gegen die Bevölkerung.
In der Heimatprovinz des verstorbenen Politikers Etienne Tshisekedi werden dutzende Menschen getötet. Hunderttausende sind auf der Flucht.
Tausende haben in Belgien Abschied vom toten Oppositionsführer des Kongo genommen. Stirbt auch der Zusammenhalt der zivilen Opposition?