taz.de -- Kommentar Abschieben nach Afghanistan: Gescheiterten Einsatz kaschieren

Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan verlief desaströs, die Lage im Land ist weiterhin desolat. Abschiebungen suggerieren aber ein anderes Bild.
Bild: In Kabul transportiert ein Arbeiter Essen vom Welternährungsprogramm für einen Mann im Rollstuhl

Ausgerechnet Afghanistan. Nur wenige Länder gelten als ähnlich gefährlich, zerrüttet, instabil. Und trotzdem ist die Bundesregierung entschlossen, in Serie dorthin abzuschieben. Stets betont sie dabei, dass in den Flugzeugen nach Kabul „auch Straftäter“ sitzen, als sei deren Leben dort weniger bedroht.

Dabei setzt sie sich über Kritik von allen Seiten hinweg. Am Montag etwa lud die SPD den UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi nach Berlin ein und hängte ihm die höchste Ehrung um den Hals, die sie zu vergeben hat: den Willy-Brandt-Preis. Auf den Geehrten hören mochte man indes nicht. [1][Am selben Abend hob ein Abschiebeflug aus Frankfurt nach Kabul ab] – innerhalb von wenigen Wochen der zweite. Erst im Dezember hatte der UNHCR per Brief an die Bundesregierung nachdrücklich auf die „deutlich verschlechterte“ Sicherheitslage in Afghanistan hingewiesen.

Das Signal an die Afghanen soll sein: Ihr habt hier keine Perspektive. Genau deshalb dürfte ihnen auch seit Langem [2][der Zugang zu den Integrationskursen verweigert werden]. Der Grund für die Härte, darauf deuten Äußerungen der Bundesregierung hin, ist in der Außenpolitik zu suchen. Der vor 15 Jahren begonnene Bundeswehreinsatz in Afghanistan verlief desaströs. Er soll rund 3,6 Milliarden Euro gekostet haben, 41 deutsche Soldaten und Polizisten wurden getötet – und die Lage in Afghanistan ist heute desolater denn je. Eine schlechtere Empfehlung für weitere Kriegseinsätze gibt es kaum – es sei denn, es gelingt, das Bild des Einsatzes nachträglich zu verbessern.

Genau dazu sollen die Abschiebungen offenbar dienen: Je mehr Abschiebeflüge in Kabul landen, desto leichter kann behauptet werden, dort sei es sicher, sonst würde schließlich nicht abgeschoben werden. Mit diesem Zirkelschluss sollen die Abschiebungen das Scheitern der Bundeswehr kaschieren. Dafür bezahlen müssen die Flüchtlinge: Was in Afghanistan aus ihnen werden soll, weiß niemand.

26 Jan 2017

LINKS

[1] /Zweite-Sammelabschiebung-von-Afghanen/!5377260/
[2] /!5375067

AUTOREN

Christian Jakob

TAGS

Schwerpunkt Afghanistan
Flüchtlinge
Abschiebung
Mord
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Kabul

ARTIKEL ZUM THEMA

Mord an einem Kind in Flüchtlingsheim: Was lief schief?

Ein afghanischer Straftäter hat einen russischen Jungen getötet und dessen Mutter verletzt. Die Landespolitik diskutiert über Konsequenzen.

Regierungskonzept für Abschiebungen: Auf-Wiedersehen-Kultur

Bund und Länder wollen bei Abschiebungen gemeinsam handeln. Mehr als 80.000 Menschen sollen Deutschland 2017 verlassen.

Ausgaben der Bundesregierung 2016: Fast 22 Milliarden Euro für Flüchtlinge

Rund 7,1 Milliarden Euro wurden für die Bekämpfung von Fluchtursachen verbucht. Die Aufwendungen für Integrationsleistungen lagen deutlicher darunter.

Integration von Flüchtlingen: Deutsch lernen? Wer weiß

Die Regierung stellt infrage, ob Afghanen an Deutschkursen für Asylbewerber teilnehmen dürfen – obwohl sie die Kriterien dafür erfüllen.

Abschiebungen nach Afghanistan: Abgeschoben, aus dem Blick verloren

Deutschland weist abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan aus. Was erwartet die Menschen, die gerade nach Kabul abgeschoben wurden?

Afghanisches Frauenorchester auf Tour: Beethoven in Kabul

Die jungen Afghaninnen Negin Khoplwak und Zarifa Adiba haben das erste Mädchenorchester ihres Landes gegründet – nun spielt es in Deutschland.

Grünen-Politiker über Abschiebungen: „Wir befeuern eine Scheindebatte“

Seine Partei sollte Abschiebungen nach Afghanistan ausschließen, fordert Erik Marquardt. Es gebe dort keine sicheren Gebiete.

Abschiebung von afghanischem Künstler: Integrierter geht's nimmer

Da hat ein aus Afghanistan geflohener Künstler sich so integriert, wie es die CSU will. Trotzdem schickt Bayern Ahmad Shakib Pouya zurück nach Kabul.