taz.de -- Die Wahrheit: Schmutzig? Igitt!

Nicht alle Nachschlagewerke kennen den „Arsch“ – ein unverzeihliches Versäumnis, das gleich tief hineinführt in fundierte Sprachkritik.
Bild: Einen Arsch sehen wir im wirklichen Leben täglich, aber im Wörterbuch erscheint er nicht unbedingt

Variatio delectat, Abwechslung erfreut, lautet eine Regel für gutes Deutsch. Doch manchmal, wenn der eigene Wortschatz zu klein ist oder man in der Eile den richtigen Ausdruck nicht parat hat, ist es gut, zu wissen, wo man Rat holen kann. In der alten Zeit, als Bücher noch geholfen haben, griff man zum Synonymlexikon: einem sehr guten wie dem Wehrle-Eggers („Deutscher Wortschatz. Ein Wegweiser zum treffenden Ausdruck“) oder dem Dornseiff („Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen“), einem einfachen wie dem Textor („Sag es treffender“) oder dem Duden, Band acht, der allerdings „Das Synonymwörterbuch. Ein Wörterbuch sinnverwandter Wörter“ heißt, weil der Duden anscheinend für „Wörterbuch“ kein Synonym kennt.

Die Nachschlagewerke haben alle ihre eigenen Schwächen, aber besonders die, dass sie langsam veralten, nicht zuletzt, weil keines der besten im Internet fortgeführt wird. Ja, wer den „Dornseiff“ sucht, landet bei einer Firma, die „von Kranvermietungen über Maschinenumzüge bis zur Vermietung von Teleskopstaplern ein komplettes Dienstleistungsspektrum“ anbietet!

Doch es gibt eine Lösung: Wer mit Word arbeitet, einen Ausdruck anklickt und Shift F7 drückt (oder Alt drückt und das Wort anklickt), gelangt zum programmeigenen Thesaurus. Der kann es mit Wehrle-Eggers und Dornseiff nicht aufnehmen, reicht aber für die Erste Hilfe.

Allerdings nicht immer. Für obiges „geholfen“ zum Beispiel gibt es nicht nur im konkreten Fall untaugliche Vorschläge wie „gerettet, befreit, begünstigt“ und das interessante „eingesprungen“, sondern auch irritierende wie „zusammengetan, verbunden, durchgezogen“. Immerhin berücksichtigt Word flektierte Formen, obzwar nicht alle; die gedruckten Lexika gehen nur von der ungebeugten Grundform aus.

Lexikon der verpönten Wörter

Selbst ein seriöses Kompendium wie der Wehrle-Eggers kennt obszöne und vulgäre Wörter; nicht viele, aber den „Arsch“. Word kennt ihn nicht. Wehrle-Eggers weiß auch von „Titten“, Word nicht. Wehrle-Eggers sagt sogar „Scheiße“, Word niemals. Und so weiter: Man könnte ein Lexikon der verpönten Wörter erstellen, die Word nicht bekannt sind.

Ihm sind allenfalls die hochsprachlichen Ausdrücke geläufig, doch muss man sich auf Überraschungen gefasst machen: Die „Scham“ ist hier kein Geschlechtsteil, den „Penis“ gibt es nicht und das „Glied“ nur als „Körperteil, Ferse, Finger, Schenkel“. Wo die Geschlechtswerkzeuge fehlen, sind „ficken“, „bumsen“ und „poppen“ logischerweise unbekannt. „Koitieren“ ist möglich, darf aber durch „aufgehen in, zusammenfügen, beweihräuchern“ ersetzt werden. Man lernt nicht aus.

Word ist ein sauberes Programm, das in einer sauberen Welt zu Hause ist. „Geil“ sein darf man in ihr schon, weil es nur ein anderes Wort für „hervorragend, saustark, keck, diensteifrig, anstrengend“ ist. „Sex“ gibt es, weil er einzig und allein „Liebe“ bedeutet, für die es hingegen eine Menge Synonyme gibt, etwa „Huld“ und „Gunst“. Und wenn Liebe oder Sex, dann so, wie es sich gehört: Words Wörterbuch sorgt dafür, dass es eine Welt ohne „Homosexualität“ ist, niemand „schwul“ beziehungsweise „lesbisch“ ist.

Blödsinn? Gibt es nicht!

Es gibt in ihr auch keine „Idioten“ und „Schwachköpfe“, keinen „Dickwanst“ und keinen „Krüppel“. Niemand ist „dumm“, „doof“, „blöd“ oder „bescheuert“; wer aber „beschränkt“ ist, lebt bloß „bescheiden, ärmlich“; „töricht“ heißt „mager, trivial, alltäglich“, und eine „Dummheit“ ist bloß ein „fauler Witz“. Sagen Sie jetzt nicht: „So ein Blödsinn!“ – den gibt es auch nicht.

„Word“ will anscheinend eine puritanische Welt erzwingen, die moralisch, tugendhaft und politisch korrekt ist. Doch das kann nach hinten losgehen: Weil es all die schmutzigen Wörter und schlimmen Dinge nicht geben darf und selbstverständlich auch keine „Neger“, ist aufgeschmissen, wer nach anderen Ausdrücken sucht. Er muss den „Neger“ im Text stehen lassen.

17 Jan 2017

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Peter Köhler

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