taz.de -- François Fillon gewinnt Stichwahl: Blankoscheck für liberalen „Schock“

Erst schlug er Sarkozy, jetzt auch Juppé: Fillon holt sich mit rund 67 Prozent die Kandidatur der französischen Konservativen für die Wahl 2017.
Bild: Jetzt offiziell: François Fillon ist der Kandidat der Republikaner

Paris taz | Der Konservative François Fillon hat die Stichwahl zur Nominierung des Präsidentschaftskandidaten der bürgerlichen Mitte und Rechten klar mit rund 67 Prozent gegen seinen Parteikollegen Alain Juppé (rund 33 Prozent) gewonnen, der seine Niederlage sogleich akzeptiert und dem Sieger seine loyale Unterstützung im Kampf um die Präsidentschaft im Frühling 2017 zugesichert hat.

Mit dem deutlichen Sieg hat Fillon für sein liberales Programm von seiner politischen Familie einen Blankoscheck erhalten. Das bleibt überraschend: Denn „liberal“, das war vor wenigen Wochen noch in Frankreich im politischen Jargon ein Schimpfwort. Mit sehr konservativen Ansichten in Familien- und Gesellschaftsfragen hat Fillon zudem eine massive Unterstützung traditionalistischer und reaktionärer Kreise erhalten. Auch seine außenpolitische Nähe zu Wladimir Putin hat Fillon keineswegs geschadet.

Von der großen Mehrheit der Leute, die sich an diesen erstmaligen Vorwahlen der Republikaner beteiligt haben, wird Fillons Programm, das er selber als liberalen „Schock“ verstanden haben will, als angebrachte Alternative nach der Präsidentschaft von François Hollande betrachtet. Viel deutlicher als seine sechs Mitbewerber hat Fillon Reformen angekündigt, die eine Abkehr vom französischen Sozialmodell bedeuten und zahlreiche soziale Rechte infrage stellen würden.

Was er als Staatschef in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft zu tun verspricht, bezeichnet er selber als „radikal“ oder „revolutionär“. Dies allerdings gar nicht im Stil von Robespierre oder Lenin, sondern mehr im Sinne einer konservativen Revolution à la Reagan oder Thatcher.

Natürlich ist es immer populär, Steuersenkungen anzukündigen, aber Fillon will auch die 35-Stunden-Woche ohne vollen Lohnausgleich abschaffen und in fünf Jahren 500.000 öffentliche Stellen streichen. Wie schwer solche Maßnahmen selbst ansatzweise durchzusetzen sind, hat sich vor dem Sommer am langen und harten Widerstand gegen die Arbeitsrechtsreform von Staatschef François Hollande gezeigt.

Fillon gegen Le Pen

Fillon galt erst seit letztem Sonntag bei der Vorwahl des bürgerlichen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Mai 2017 als Favorit, er hatte in der ersten Runde seine Kontrahenten – unter ihnen Ex-Präsident Nicolas Sarkozy – deutlich auf die Plätze verwiesen. Mehr als 4,2 Millionen Menschen hatten sich am ersten Durchgang der bürgerlichen Vorwahlen beteiligt, im Finale zeichnete sich eine noch höhere Beteiligung ab.

Eine Sprecherin aus dem Team von Fillon bezeichnete dessen Triumph im Fernsehen als „schlechte Nachricht für den Front National“ von Marine Le Pen und bestätigte so, dass der designierte bürgerliche Präsidentschaftskandidat der FN-Kandidatin im Wettkampf um die rechte Wählerschaft mit konservativen Werten Konkurrenz machen will.

Präsident Hollande will angeblich in der ersten Dezemberhälfte sagen, ob er sich um eine Wiederwahl bewirbt oder ob er diesen für die Linke sehr ungewissen Wahlkampf lieber anderen überlassen will. Sein vor Ungeduld zappelnder Premierminister Manuel Valls hat am Sonntag erklärt, er bereite sich vor – für alle Fälle.

So oder so ist die französische Linke hoffnungslos gespalten. Noch bevor die Sozialisten ihren Kandidaten nominieren, haben bereits die Grünen und auch andere Parteien und Organisationen KandidatInnen im Rennen. Jean-Luc-Mélenchon von der Linkspartei wird von den Kommunisten unterstützt. Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron situiert sich „jenseits“ von links und rechts.

Die bürgerliche Rechte dagegen ist nach diesen Vorwahlen so geeint und siegesgewiss wie nie seit Nicolas Sarkozys Niederlage gegen Hollande 2012. Bei Fillons Siegesfeier am Sonntagabend herrschte angesichts einer in Griffnähe gerückten Rückeroberung der Macht bereits eine triumphierende Stimmung. An die Kampfrufe „Fillon – Président!“ muss sich Frankreich noch gewöhnen.

28 Nov 2016

AUTOREN

Rudolf Balmer

TAGS

François Fillon
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Rassemblement National
Nicolas Sarkozy
Jean-Luc Mélenchon
Schwerpunkt Frankreich
Francois Hollande
François Fillon
Schwerpunkt Frankreich
François Fillon
François Fillon
Alain Juppé
Schwerpunkt Frankreich

ARTIKEL ZUM THEMA

Affären um Frankreichs Politiker: Sarkozy muss vor Gericht

Ein Untersuchungsrichter hat den Prozess gegen den Ex-Staatschef angeordnet. Im Wahlkampf 2012 überschritt er das Budget massiv.

Französischer Linkspolitiker auf YouTube: Unterwegs in der fachosphère

Das Netz gilt als Agitationsplattform des Front National. Nun aber wehrt sich Jean-Luc Mélenchon, Präsidentschaftskandidat der Linken.

Präsidentschaftswahl in Frankreich: Premier Valls will's wissen

Am Montagabend wird Manuel Valls ankündigen, dass er bei der Vorwahl des Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten antritt. Beim linken Flügel ist er verhasst.

Kandidatur des französischen Präsidenten: Hollande tritt nicht wieder an

Frankreichs Präsident François Hollande verzichtet auf eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit. Nun muss Frankreichs zersplitterte Linke sich neu sortieren.

Kommentar Fillons Wirtschaftspläne: Jedes Sparprogramm wird scheitern

Der frisch gewählte Präsidentschaftskandidat Fillon will Frankreichs Wirtschaft „liberalisieren“. Was bedeutet sein Sieg aus ökonomischer Sicht?

Vorwahl in Frankreich: Rechte Lust und linke Unlust

Eitel Freude herrscht derzeit bei der konservativen Opposition in Frankreich. Im linken Lager findet man dagegen nur tiefen Frust.

Kommentar Urwahl der Konservativen: Frankreichs rechte Orientierungshilfe

François Fillon hat es zum Kandidaten geschafft, weil er klar rechts ist. Daraus kann die Gegenseite lernen. Die Linke muss sich nun zusammenraufen.

Stichwahl bei Frankreichs Konservativen: Jurist, Rennfahrer und Instinktpolitiker

Der Anti-Populist François Fillon hat gute Chancen, als Präsidentschaftskandidat aufgestellt zu werden. Und plötzlich hat er prominente Fans.

TV-Debatte in Frankreich: Putin-Lob bringt Fillon Ärger ein

Präsidentschaftsanwärter François Fillon ist russlandfreundlich – und bekommt positives Echo aus Moskau. Das führt bei einer TV-Debatte zu Widerspruch.

Kommentar Urwahl in Frankreich: Ab in die Frührente!

Expräsident Sarkozy steht vor einem Scherbenhaufen. Das Votum für François Fillon bedeutet aber auch eine wirtschaftspolitische Rechtswende.