taz.de -- Kommentar zur Autobahnprivatisierung: Ein Leckerli für die Wirtschaft

Autofahrer werden die Privatisierung der Autobahn nicht bezahlen – die Allgemeinheit springt ein. Zukunftsfähige Verkehrskonzepte sehen anders aus.
Bild: Ob privat oder öffentlich: Am besten sind Autobahnen ohne Verkehr

Der Spruch mit den Melkkühen ist leider noch nicht ausgestorben. Am Wochenende war es der IG-Bau-Vize, der warnte, mit einer Teilprivatisierung des Autobahnnetzes mache man Autopendler zu Melkkühen der Nation. Mehr „Freie Fahrt für freie Bürger“-Rhetorik war in den 80ern auch nicht.

Es geht nicht nur um Autobahnen. Die sind nur eines der Objekte, die man in Sachen Infrastruktur zu Geld machen kann. In den Hintergrund rückt die Frage: Welche Güter und Dienstleistungen gehören zu denen, um die sich der Staat kümmern soll? Wasser oder Strom? Straße oder Schiene? Telefon oder Internet? Müllabfuhr oder Schneeräumdienst?

Die Beantwortung ist nicht nur abhängig von politischen Trends – gerade ist Privatisierung oder eher Rekommunalisierung angesagt –, sondern sie ist auch ein Spiegel der Gesellschaft. Denn neben der Frage, was jeder braucht, ist es eine Diskussion darüber, was jeder brauchen sollte. Dass die Bundesregierung etwa beim Breitbandausbau so zögerlich vorgeht, zeigt, dass sie die gesellschaftliche Bedeutung, das Potenzial einer schnellen Internetanbindung entweder nicht verstanden hat oder es ihr egal ist.

Das Problem beim Thema Autobahn ist: In der Debatte über eine Teilprivatisierung werden zwei Ebenen vermischt. Die eine ist das Leckerli, das die Bundesregierung der Banken- und Versicherungswirtschaft hinhalten möchte. Eine sichere Anlage in Zeiten niedriger Zinsen, das wäre doch was, oder? Ja, das wäre tatsächlich etwas, nämlich eine unverfroren industriefreundliche Entscheidung.

Doch über die zweite Ebene, ganz ohne Privatisierung, lohnt es sich tatsächlich kurz nachzudenken. Nämlich: Sind Autobahnen angesichts von Klimawandel, Feinstaub und Abgasmanipulationen eine Infrastruktur, die jeder braucht, brauchen sollte? Sollten alle dafür zahlen? Oder eher die, die sie nutzen? Zumindest anteilig?

Gerade mit Blick auf selbst fahrende Autos lassen sich ganz neue Mobilitätssysteme denken – mit Zubringerfahrzeugen zum Beispiel, die Langstrecke übernimmt dann die Schiene. Eine Debatte über die Zukunft der Mobilität ganz ohne Technikangst und „My car is my castle“-Haltung, ohne Vielfahrerbevorzugung und Kotaus vor der Industrie? Unrealistisch, leider. Denn bei allen Befürchtungen: Zu Melkkühen sind die Autofahrer hierzulande noch nie geworden.

14 Nov 2016

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Svenja Bergt

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