taz.de -- Offensive in Mossul: Foltervorwürfe gegen die Armee

Menschenrechtsorganisationen berichten von Gewalt gegen Zivilisten und Verschleppungen. Es geht um die Offensive irakischer Soldaten gegen den IS in Mossul.
Bild: Amnesty International und Human Rights Watch werfen irakischen Soldaten Folter und Mord vor

Bagdad/London rtr/dpa/afp | Irakische Soldaten haben nach Informationen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bei ihrer Offensive auf die Großstadt Mossul Zivilisten gefoltert und getötet.

In Dörfern südlich der vom sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierten Metropole seien zahlreiche Einwohner umgebracht worden, erklärte die in New York ansässige Organisation am Donnerstag. Zuvor seien Opfer mit Kabeln und Gewehrkolben geschlagen worden. Die Sicherheitskräfte hätten ihnen Verbindungen zu den Dschihadisten unterstellt. Die Vorkommnisse hätten sich am oder um den 21. Oktober herum zugetragen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtete, irakische und kurdische Sicherheitskräfte hätten mindestens 37 Personen festgenommen, bei denen Verbindungen zum IS vermutet worden seien. Verwandte der Inhaftierten hätten berichtet, sie wüssten nicht, wo sie festgehalten würden, und sie hätten auch keinen Kontakt zu ihnen. HRW warnte, ein solches Vorgehen könne zu weiteren Missständen führen, einschließlich Folter.

Ein Sprecher des irakischen Innenministeriums dementierte die Berichte. Die irakischen Streitkräfte respektierten die Menschenrechte und das Völkerrecht. Verstöße dagegen habe es nicht gegeben.

Ein Sprecher der kurdischen Regionalverwaltung wies die Anschuldigung von HRW zurück. Wenn Familien von Inhaftierten nicht sofort informiert würden, seien dies Einzelfälle und durch mangelnde Ressourcen zu erklären. Niemand werde an unbekannten Orten festgehalten.

„Die irakischen Behörden müssen umgehend gründliche und unabhängige Untersuchungen dieser Vorfälle durchführen“, forderte die stellvertretende Direktorin des Amnesty-Büros in Beirut, Lynn Maalouf. Die Regierung müsse alle Personen vom Dienst suspendieren, die in Verdacht stünden, Kriegsverbrechen begangen zu haben.

US-Streitkräfte geben Zahlen bekannt

Das US-Zentralkommando gab indessen eigene Zahlen bekannt. Bei ihren Luftangriffen gegen die Dschihadistenmiliz haben die US-Streitkräfte nach eigenen Angaben seit August 2014 insgesamt 119 Zivilisten getötet. Die am Mittwoch veröffentlichte Zahl liegt deutlich unter Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete über einen Luftangriff auf Al-Heischa, 40 Kilometer nördlich von Raka, bei dem 20 Zivilisten getötet und 32 verletzt worden seien.

„Wir haben Teams, die rund um die Uhr daran arbeiten, ungewollte zivile Opfer zu vermeiden“, sagte Oberst John Thomas vom US-Zentralkommando. Die Berechnung mit den 119 unbeabsichtigt getöteten Zivilisten beziehe sich auf 24 Luftangriffe.

Die US-Luftwaffe nimmt für sich in Anspruch, Präzisionswaffen einzusetzen, um Zivilisten möglichst nicht zu treffen. Dagegen setze Russland bei den Angriffen in Syrien konventionelle Bomben ein, die für die Zivilbevölkerung weitaus bedrohlicher seien.

10 Nov 2016

TAGS

Mossul
Irak
„Islamischer Staat“ (IS)
Schwerpunkt Syrien
Amnesty International
Human Rights Watch
Kriegsverbrechen
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Rakka
Schwerpunkt Syrien
„Islamischer Staat“ (IS)
„Islamischer Staat“ (IS)

ARTIKEL ZUM THEMA

Kriegsverbrechen im Irak: Selfies aus dem Krieg

Rami K. ist der erste Flüchtling, der in Berlin wegen eines Handyfotos vor Gericht stand. Bundesweit war es der zweite Fall dieser Art.

Kampf um Mossul: Der IS leistet erbitterten Widerstand

Die irakische Armee rückt auf Mossul vor. In der Stadt verläuft die Versorgung chaotisch: Bewohner plündern einen Hilfsgüter-Lkw der Regierung.

Selbstmordanschlag auf Pilger im Irak: Mindestens 73 Tote nach Explosion

Ingesamt acht Busse mit schiitischen Pilgern aus dem Iran wurden von einem explodierenden Laster getroffen. Der IS bekannte sich zu dem Anschlag.

Buch über den Krieg in Syrien: Wenn der Alltag aussetzt

Unerschrocken und verstörend: die Reportagen der vielfach ausgezeichneten Kriegsreporterin Janine di Giovanni aus Syrien.

Krieg im Irak: „Islamischer Staat“ wütet in Mossul

Irakische Truppen und kurdische Einheiten kämpfen um Mossul. Währenddessen verschärfen die Dschihadisten ihr blutiges Regiment über die Stadt.

Kampf gegen den IS: Kämpfe um Rakka und Mossul

Bei Gefechten in Syrien sterben wieder Zivilisten. Die Verantwortung für Luftangriffe ist ungeklärt. Das irakische Mossul ist weiterhin schwer umkämpft

Koalition gegen den IS: Der „gute“ verwirrende Krieg

Sunniten, Schiiten, Araber und Kurden kämpfen gemeinsam im irakischen Mossul und im syrischen Rakka. Was kommt nach dem Sieg?

Bericht der Vereinten Nationen: IS verschleppt tausende Zivilisten

Nach UN-Angaben hat der IS im Irak 1.500 Familien in seine Gewalt gebracht. Zudem seien rund 300 Ex-Mitglieder irakischer Sicherheitskräfte in Geiselhaft.

Rückeroberung von Mossul: Massengrab mit 100 Toten entdeckt

Seit drei Wochen läuft die Offensive auf Mossul. Die irakischen Streitkräfte melden nun den Fund eines Massengrabes mit enthaupteten Opfern.

Angriff auf den IS in Mossul: Irakisches Militär rückt vor

In Mossul hat die irakische Armee mehrere Stadtviertel zurückerobert. Der IS-Chef rief die Kämpfer seiner Terrormiliz auf, weiterhin durchzuhalten.