taz.de -- Koalitionsstreit über Treibhausgase: Ohne Plan zum Klima-Gipfel

Eine Blamage für Deutschland: Langfristige Ziele werden vor dem Marrakesch-Gipfel nicht beschlossen, kurzfristige wohl verfehlt.
Bild: Der Kohleausstieg bleibt leider vage

Berlin taz | Dafür, dass sich Union und SPD noch in einer Koalition befinden, sind es harte Worte, mit denen Umweltministerin Barbara Hendricks Vertreter von CDU und CSU angreift. Diese „schießen aus allen Rohren gegen den Klimaschutz“. Und zwar „auf einem Niveau, das dem Thema nicht angemessen ist“, außerdem „geprägt von einem gesunden Halbwissen“, sagte die SPD-Frau am Dienstag vor der Presse. Dem CDU-Vizevorsitzenden Armin Laschet warf Hendricks vor, er habe „den Entwurf gar nicht gelesen – oder jedenfalls nicht verstanden“.

Grund für die Aufregung ist eine drohende Blamage Deutschlands beim nächsten UN-Klimagipfel, der vom 7. bis 18. November im marokkanischen Marrakesch stattfindet: Anders als geplant wird die Regierung es nicht schaffen, bis dahin den „Klimaschutzplan 2050“ zu verabschieden. Dieser soll aufzeigen, wie Deutschland die Verpflichtungen aus dem Klimaschutzabkommen erfüllen will, das im vergangenen Jahr in Paris beschlossen und kürzlich vom Bundestag ratifiziert wurde.

Für diese Woche wurde der Klimaschutzplan bereits von der Tagesordnung des Kabinetts genommen, auch in der kommenden Woche sei ein Beschluss nicht zu erwarten, sagte Hendricks: „Die Blockadehaltung bei CDU und CSU ist zu groß, als dass die Positionsunterschiede zur SPD in kurzer Zeit überwunden werden könnten.“ Dennoch hofft Hendricks, den Plan noch dieses Jahr beschließen zu können.

Neben sehr grundsätzlichen Vorbehalten aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es auch mit den betroffenen Ministerien noch keine Einigung, welcher Sektor künftig wie viel Emissionen einsparen muss. Um bis zum Jahr 2050 eine weitgehende Treibhausgasneutralität zu erreichen, strebt die Regierung bis zum Jahr 2030 einen Rückgang von 55 Prozent im Vergleich zu 1990 an. Sowohl in der Landwirtschaft als auch im Verkehr sei das jedoch nicht zu schaffen, räumte Hendricks ein. Doch wenn diese Sektoren weniger Minderung erbringen, müssen andere mehr einsparen – vor allem der Energiebereich.

Der Ausstieg bleibt vage

Hier ließe sich durch einen früheren Ausstieg aus der Nutzung der besonders klimaschädlichen Braunkohle viel Kohlendioxid einsparen. Doch hier blieb Hendricks vage: Einen konkreten Ausstiegspfad oder ein Enddatum für die Kohle nennt der Entwurf des Klimaschutzplans nicht. Mit diesen Fragen soll sich bis zum Jahr 2018 eine Kommission beschäftigen. Auch diese darf nach Protesten aus der Branche „Kohleausstieg“ oder auch nur „Kohle“ aber nicht mehr im Namen führen. Stattdessen heißt sie nun „Kommission für Klimaschutz, Wachstum, Strukturwandel und Vollendung der Energiewende“.

Entscheidend ist ein Rückgang der Kohleverstromung nicht nur für die langfristigen Klimapläne, sondern auch mittelfristig. Das Ziel, die deutschen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, wird nämlich mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlt. Statt 62 bis 78 Millionen Tonnen würde nur eine Minderung um 50 Millionen Tonnen sicher erreicht, erklärte Hendricks. Darum sei „ein Nachsteuern mit hoher Wahrscheinlichkeit erforderlich“. Passieren soll das aber frühestens im Jahr 2018.

Für die Union erklärte Fraktionsvize Georg Nüßlein, der Blockade-Vorwurf von Hendricks „entbehrt jeder Grundlage“. Die Union stehe zu den Klimaschutzverpflichtungen und habe „konkrete Änderungsvorschläge“ erarbeitet. Die Opposition kritisierte die Verschiebung des Klimaplans scharf. Annalena Baerbock (Grüne) sprach von einem „Armutszeugnis für die Große Koalition“, Eva Bulling-Schröter (Linke) sah die deutsche „Vorreiterrolle“ bedroht. Die Umweltverbände BUND, Nabu, Greenpeace, WWF und Germanwatch erklärten, Deutschland liefere beim Klimaschutz nicht, was es versprochen habe.

1 Nov 2016

AUTOREN

Malte Kreutzfeldt

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