taz.de -- Kolumne Berliner Galerien: Tiere im Kopf
Mensch-Tier-Ausstellungen in der neuen Gesellschaft für bildende Kunst, der Inselgalerie und im Neuen Berliner Kunstverein.
Dass „man’s best friend“ durchaus auch ein Hängebauschschwein sein kann, zeigt [1][Lisbeth Jessens] Dokumentation „Pets & The City“ (2016), die sich mit der steigenden Anzahl registrierter Begleittiere in New York, den „emotional support animals“, beschäftigt. Der Vierbeiner steigt gerade in ein Auto, umrundet von Kameraleuten. Fast schon Paparazzi-Style: gefragt haben die bestimmt nicht und wenn, dann nur die „Besitzer“ des Rüsseltiers.
Damit wären wir auch schon im Herzen der Gruppenausstellung „Animal Lovers“ in der [2][nGbK], die spielerisch, aber auch philosophisch das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren ergründet. Es riecht nicht nach Stall, auch nicht nach nassem Hund, es springen keine live malenden Katzen die Wand hoch.
Die Reflexionsarbeit passiert zunächst aus der menschlichen Sicht, die Betonung liegt weniger auf „Animals“ als auf den „Lovers“. Denn die Tierliebenden müssen erst noch klären, wie echte Tiere demokratisch in eine Ausstellung integriert werden könnten.
Kommen sie nur in den Ausstellungsraum, wenn sie Lust haben, ähnlich wie es ANT FARM 1975–1978 in ihrer frei schwebenden Meersforschungsstation „Dolphin Embassy“ anvisierten (illustriert auf Zeichnungen von Curtis Schreier im Stil eines 70er-Jahre-Futurismus)? Oder greift man auf geteilte Autorenschaft zurück, wie das CMUK Kollektiv (Akronym für Clara, Mathias, Ute und Karl) es mit den abstrakten Kratzwerken – mit Krallen offen gelegte Zeitschrift-Schichten – der Katzen Clara und Karl tut?
Plüsch-Funktion
In der [3][Inselgalerie] stellt [4][Sonja Blattner] im Text „Don’t Kill Plüsch“, der ihre Acrylgemälde von Affen, Füchsen und Eisbären begleitet, fest, dass als Haus- und Kuscheltiere versüßte Tiere „verplüschte Tiere“ sind, Sympathieträger, deren Verniedlichungsprozess dennoch einer Funktionalisierung gleichkommt.
Andere Arbeiten der Gruppenschau „Das Tier und Wir“ nähern sich Tieren eher skizzenhaft an. [5][Brigitte Denecke]zum Beispiel fährt mit Kohle das Papier intuitiv ab, fast so, als hätte sie dabei die Augen geschlossen.
Die Metallskulpturen von [6][Elli Graetz]deuten Vogelwesen an, ihre Tuscheserie „Artenvielfalt“ vollzieht die Form der Tiere als Armbewegung nach. Wer hier wen leitet, ist nicht mehr wichtig.
Wir, die Onko-Maus
Laborhafter ist da [7][Natascha Sadr Haghighians] Installation „onco-mickey-catch“ im Showroom im [8][n.b.k.] Eine hyperdimensionale, mit Fell bewachsene Computermaus mit Bildschirmohren steuert den Blick des Gegenübers im Skype-Chat so aus, dass mensch sich in die Augen zu sehen scheint, was sonst per Videokamera nie möglich ist. Allein passiert bei dieser Kopplung allerdings nichts, sie funktioniert nur in emotionaler Begleitung.
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
19 Oct 2016
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