taz.de -- Kommentar Sexismus in den USA: Das verklemmte Schweigen
Donald Trump hat eine Schwelle der Duldbarkeit überschritten. Somit wurde ein Resonanzraum geschaffen.
Das Niveau politischer Auseinandersetzung im US-Wahlkampf 2016 ist drastisch gesunken, die offene Lüge gilt als neue Wirklichkeit. Es war nicht mehr sehr wahrscheinlich, dass Donald Trump noch vor dem 8. November an eine Grenze stoßen würde. Genau das aber ist nach seiner obszönen Prahlerei mit sexuellen Übergriffen geschehen.
Plötzlich geißeln auch erzkonservative Strömungen Trumps „unverholene Unmoral“. Eine neue Genderdebatte wie in den 70er Jahren wird sich daraus zwar nicht entwickeln. Dazu ist das Land sozial wie ideologisch viel zu tief gespalten. Weil es Trump jedoch geschafft hat, doch noch eine Schwelle der Duldbarkeit zu überschreiten, hat er einen Resonanzraum geschaffen.
Über Sex wird nicht gesprochen in den verklemmten Staaten von Amerika. Und nur ganz allmählich ist die allgegenwärtige sexuelle Gewalt diskussionsfähig. Entsprechend stumm bleiben die meisten Mädchen und Frauen bei sexuellen Übergriffen. Trumps Eingeständnis wirkt hier, als ob ein Tor geöffnet worden wäre. [1][Millionen Tweets sind eine Botschaft an diese Gesellschaft].
In Deutschland hat im Jahr 2013 [2][#Aufschrei] einen Grimme-Preis verliehen bekommen. Ausgezeichnet wurden „all jene Hashtag-Nutzer, die die Problematik des existierenden Alltagssexismus konstruktiv diskutiert haben“. Mit dem #Aufschrei hat sich etwas im öffentlichen Diskurs verschoben. [3][#notok] hat für die USA ein ähnliches gesellschaftspolitisches Potenzial.
Große US-Politiker haben ihrem Land große Worte hinterlassen.
Bei [4][i.redd.it] findet sich dazu dieser Tage eine prägnante Zusammenstellung. „Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Angst selbst“, schrieb Franklin Delano Roosevelt. „Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, frage, was Du für Dein Land tun kannst“, sagte J.F. Kennedy.
„Pack sie an der Muschi“, wird von Donald Trump bleiben.
11 Oct 2016
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