taz.de -- Kommentar Klimaschutz der Regierung: Ein Dokument der Angst

Die Kanzlerin fürchtet den Streit mit der Wirtschaft und der eigenen Partei. So kann Deutschland nicht zum Vorbild beim Klimawandel werden.
Bild: Nichts als heißer Dampf

Der Klimaschutzplan der Bundesregierung ist [1][in seiner jetzigen Form] ein Dokument der Angst. Aber es ist nicht die Furcht vor den Hitzewellen, Stürmen oder Flüchtlingsströmen, die der Klimawandel mit sich bringt. Er zeugt vielmehr von der Sorge einer Regierung, die wegen ihrer kurzzeitigen Probleme ihre langfristigen Ziele nur noch leise vor sich hin flüstert. Deshalb ist der Plan, so wie er jetzt aus dem Kanzleramt kommt, so inhaltsarm und weichgespült.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese Bundesregierung nicht zu ihren ehrgeizigen Klimazielen steht, den Ausstoß des Klimakillers CO2 bis 2050 auf null zu fahren. Auch der Klimakanzlerin Angela Merkel ist klar, was das bedeutet: Die Kohle muss weg, der Ökostrom muss schneller ausgebaut werden, der Verkehr muss im nächsten Jahrzehnt elektrisch werden, wir müssen viel weniger Fleisch essen. Das ist alles machbar. Aber man muss es wollen und dafür werben.

Genau da schwächelt Merkel. Sie ist wegen der Flüchtlingskrise in der eigenen Partei so sehr in der Defensive, dass sie nicht auch noch Streit mit dem Wirtschaftsflügel über Klimaziele will. Sie sorgt sich zu sehr um die Jobs und die Wertschöpfung einer zukunftsblinden Autoindustrie, um diese mit der Forderung nach einem radikalen Umbau unter Strom zu setzen. Sie fürchtet zu sehr um die Zukunft der Stromkonzerne und um den Unmut in den Kohleregionen, um mit klaren Vorgaben den Strukturwandel voranzutreiben. Sie traut sich nicht, die nötigen Zumutungen zu verkünden.

Aber Angst ist eine schlechte Beraterin. So kann sich Deutschland nicht als Vorreiter beim Ausstieg aus Kohle und Öl und als Industrieland der Zukunft definieren. Wenn die Kanzlerin sich so von den Interessen der Vergangenheit und der Furcht vor Veränderung binden lässt, wird sie tatsächlich zur lahmen Ente, die keine wichtigen Entscheidungen mehr fällen kann. Dann ist es Zeit für eine neue Regierung.

8 Sep 2016

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Bernhard Pötter

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