taz.de -- Das bleibt von der Woche II: SPD hält sich Hintertür offen
Michael Müller wählt klare Worte in puncto Koalitionspartner. Doch wer genau zuhört, muss misstrauisch werden.
Jetzt hat also die Ausschließeritis begonnen. Regierungschef Michael Müller und seine SPD wollen nicht mit der CDU, die Grünen, die sich vor zwei Monaten ihre Bündnisoptionen noch nicht einschränken mochten, ebenfalls nicht. Klare Kante, könnte man sagen. Wäre da nicht der alte Bismarck-Satz, der sich leider immer wieder bewahrheitet: „Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“
Wenn es am Wahlabend nicht so läuft, wie sich das die Parteien und ihre führenden Akteure vorgestellt haben, dann ist da durchaus davon die Rede, man müsse die Lage nun neu bewerten, man müsse Schnittmengen ausloten.
Denn ist das wirklich in Stein gemeißelt, dass die SPD am Wahlabend standhaft bleibt, wenn sie vielleicht überraschend hinter den Grünen landet? Gut, die liegen gerade mal wieder vier Prozentpunkte zurück. Aber was, wenn bis zum Wahltag noch eine weitere Negativnachricht zum BER kommt, die Michael Müller Stimmen kostet, weil der ja nicht nur SPD-Spitzenkandidat, sondern auch Flughafen-Aufsichtsratschef ist?
Verschiedene Farbenspiele möglich
Und sich einer eigentlich geschlagenen SPD eine Alternative zu einer Juniorpartnerschaft mit Grünen und/oder Linker bietet? Nämlich, mit CDU und FDP als kleinen Partnern zu koalieren und weiter den Regierungschef zu stellen, in einer rot-schwarz-gelben Koalition, der Farben wegen auch schon mal Deutschlandkoalition genannt?
Dann wird es schwer von Bedeutung sein, dass Müller sich in dieser Woche nicht generell von den Christdemokraten distanzierte, sondern bloß von „der Henkel-CDU“. Dieser Henkel aber, derzeit noch Parteichef und Spitzenkandidat, könnte am Wahlabend ganz schnell Vergangenheit sein, wenn sich der CDU ohne ihn die Möglichkeit zum Mitregieren böte.
Ginge Müller auf so etwas ein, hätte er genau genommen noch nicht mal gelogen. Das träfe nur auf die Grünen zu, wenn die am Wahlabend die Chance hätten und nutzten, mit einer Jamaikakoalition, also mit CDU und FDP, Ramona Pop zur Regierenden Bürgermeisterin zu machen.
Doch Pop hat sich anders als Müller beim Ausschließen sprachlich keine Hintertür offen gelassen. Als sie anfangs in ihrer Pressekonferenz formulierte, „dieser CDU“ nicht zum Weiterregieren verhelfen zu wollen, horchten die Journalisten vor ihr noch auf, worauf Pop die Tür komplett schloss: keine Koalition mit der CDU. Da ist kein Spalt mehr offen – noch nicht mal für Bismarck.
20 Aug 2016
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