taz.de -- Flüchtlinge in Berlin: Die Abschiebehauptstadt

Berlin schiebt dreimal so viele Menschen ab wie noch im Vorjahr. Flüchtlinge kommen nun in eine gesonderte Abschiebeunterkunft.
Bild: Bringt abgelehnte Flüchtlinge außer Lande: die Fluggesellschaft Air Berlin

Die Zahl der Abschiebungen von Flüchtlingen ist im letzten halben Jahr stark gestiegen. Von Januar bis Ende Juni wurden 1.068 Menschen aus Berlin abgeschoben, das sind fast dreimal so viele wie im gleichen Zeitraum im Vorjahr, in dem rund 370 Menschen das Land verlassen mussten.

Seit Kurzem bringt die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales zudem Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive in einem gesonderten Heim unter. Aus diesem Heim mit Platz für 200 Menschen aus den Balkanstaaten und aus Moldau kann schneller abgeschoben werden. „Moldau gehört zwar nicht zu den sicheren Herkunftsländern, doch auch hier ist die Bleibeperspektive erfahrungsgemäß sehr gering“, erklärte eine Sprecherin. Erst am Dienstag hatte die Innenverwaltung 14 Menschen nach Moldau abgeschoben.

Über solche Unterkünfte soll die Abschiebequote weiter erhöht werden. So trifft die Senatsverwaltung, nach eigenen Angaben, nur die Hälfte der Menschen an, die ausreisepflichtig seien.

Die Grünen-Politikerin Canan Bayram hält dieses Vorgehen für falsch. „Wenn Menschen in reinen Abschiebeunterkünften untergebracht werden, übernachten sie letztlich lieber im Park, um sich zu schützen“, sagte sie. Den Standort der Unterkunft gibt die Senatsverwaltung nicht bekannt.

Quote vom Bund mehr als erfüllt

Innensenator Frank Henkel (CDU) zeigte sich mit den verdreifachten Abschiebezahlen sehr zufrieden. „Der Bund hat eine Verdoppelung der Abschiebungen als Zielmarke ausgegeben. Berlin liegt bislang deutlich über dieser Erwartung“, sagte er. Die meisten Flüchtlinge wurden nach Serbien, Bosnien, Kosovo und Albanien abgeschoben. Henkel kündigte an, weiter „konsequent auf Abschiebungen zu setzen“, da nicht alle Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive der Aufforderung zur Ausreise freiwillig folgten.

Die flüchtlingspolitischen Sprecher der Opposition kritisierten diese Haltung stark. „Abschiebungen sind mit dem Schutz der Menschenwürde nicht zu vereinbaren“, sagte Hakan Taş von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Immer mehr Länder würden zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. „Dabei wird keine Rücksicht darauf genommen, was die Menschen in ihrem Heimatland für ein Schicksal erwartet“, sagte er.

Auch aus der Grünen-Fraktion kam Kritik. „Henkel schiebt ohne Sinn und Verstand ab, an Gesetzen, Härtefällen und Menschlichkeit vorbei“, sagte Bayram. Die Polizei würde ohne Durchsuchungsbeschluss in Wohnungen eindringen, um die Menschen mitzunehmen, das sei rechtswidrig. „Der Innensenator versucht sich über Abschiebungen zu profilieren, weil er sonst nichts vorzuweisen hat“, sagte sie. Da er inzwischen 60 Prozent der Härtefälle persönlich ablehne, habe er die Härtefallkommission praktisch ausgeschaltet. „Auch in der SPD ist der Unmut darüber inzwischen groß“, meinte Bayram.

Auf dem Rücken der Schwächsten

Fabio Reinhardt von den Piraten sagte, dass Henkel Wahlkampf auf dem Rücken der Schwächsten der Gesellschaft, machen würde. Denn von den Abschiebungen seien vor allem Roma und andere in ihren Herkunftsländern diskriminierte Minderheiten betroffen.

„Dass in den letzten Wochen immer wieder Proteste von Roma gegen die Asylgesetze stattfanden, hat den Senat nicht zu einer Änderung seiner Politik bewogen“, kritisierte er. Skandalös sei auch, dass gar nicht erfasst werde, wie viele der Abgeschobenen minderjährig seien.

Georg Classen vom Flüchtlingsrat kritisierte außerdem, dass Flüchtlinge nicht immer ihre Rechte in Anspruch nehmen könnten. „Briefe vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden derzeit zum Teil viel zu spät zugestellt“, sagte Classen. „Wenn Flüchtlinge einen Ablehnungsbescheid nicht rechtzeitig bekommen, können sie nicht rechtzeitig freiwillig ausreisen oder gegen den Bescheid klagen.“

6 Jul 2016

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Uta Schleiermacher

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