taz.de -- Türkisches Gesetz für Abgeordnete: Immun war gestern
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich durchgesetzt: Mit einer Verfassungsänderung können Abgeordnete nun strafrechtlich verfolgt werden.
Istanbul dpa | Auf Betreiben des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan ist die Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten im türkischen Parlament aufgehoben worden. Durch die Veröffentlichung im Amtsblatt trat die international kritisierte Verfassungsänderung am Mittwoch in Kraft.
Die Maßnahme betrifft zwar Abgeordnete aus allen vier Parteien im Parlament, richtet sich aber vor allem gegen die pro-kurdische HDP. Erdogan wirft den HDP-Abgeordneten vor, Sprachrohr der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Er hatte ausdrücklich dazu aufgerufen, ihre Immunität aufzuheben.
Ohne Immunität sind die Parlamentarier nicht mehr vor Strafverfolgung geschützt. Ihnen könnten auch Festnahmen und Untersuchungshaft drohen. Gegen die meisten Abgeordneten der HDP werden Terrorvorwürfe erhoben. Die Partei hat angekündigt, nicht mit der Justiz zu kooperieren, die aus ihrer Sicht unter Erdogans Einfluss steht.
Das Parlament hatte die Verfassungsänderung mit der nötigen Zweidrittelmehrheit am 20. Mai beschlossen. Die Regierungspartei AKP war dabei auch von Teilen der Opposition unterstützt worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Aufhebung der Immunität von 138 der 550 Abgeordneten in der Nationalversammlung in Ankara beantragt gewesen. Fast die gesamte HDP-Fraktion mit ihren 59 Abgeordneten ist betroffen. Am Dienstag unterzeichnete Erdogan das Gesetz.
Ende vergangener Woche hatte das türkische Verfassungsgericht Beschwerden vor allem der HDP gegen Aufhebung der Immunität abgewiesen. Vor gut zwei Wochen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen mit Erdogan in Istanbul gesagt, die Aufhebung der Immunität sei ein „Grund tiefer Besorgnis“.
8 Jun 2016
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