taz.de -- Kontrollen am Brenner: Österreich will Asyl-Schnellverfahren

37.500 Asylanträge als Obergrenze sind juristisch fragwürdig, aber weiter ein politisches Ziel. Wien sucht neue Methoden zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen.
Bild: Verteidigungsminister Dokoszil und Innenministerin Mikl-Leitner besichtigen die Grenze

Wien dpa | Mit Asyl-Schnellverfahren an seiner Grenze will Österreich einem etwaigen neuerlichen Andrang von Flüchtlingen begegnen. Das kündigten Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Mittwoch in Wien an. Der Schritt ist eine Reaktion auf ein von der Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten, das die strikte zahlenmäßige Asyl-Obergrenze von 37.500 in diesem Jahr ohne Einhaltung rechtlicher Mindeststandards als rechtswidrig eingestuft hat. Das neue Verfahren soll voraussichtlich ab Mitte Mai gelten.

Begründet wird das Abweichen von europäischen Normen mit der Gefahr für „Ordnung und Stabilität“ im Land. Österreich, das 2015 eines der Hauptziele der Migranten war, sieht sich am Rand seiner Leistungsfähigkeit.

In den Asyl-Schnellverfahren solle binnen weniger Stunden individuell festgestellt werden, ob Gründe gegen eine Zurückweisung in ein sicheres Drittland sprechen. Weitere Folge werde eine Verstärkung der Grenzsicherung sein. Das wird laut Ministern auch die österreichisch-italienische Grenze am Brenner betreffen. “Es ist kein Grund zur Entwarnung“, sagte Mikl-Leitner mit Blick auf Hunderttausende Menschen, die nach Schließung der Balkanroute nun über Italien nach Europa kommen wollten.

Im Wesentlichen wird sich das Recht auf Asyl in Österreich wohl nur mit dem Recht auf eine Familienzusammenführung begründen lassen. Wenn bereits Mitglieder der „Kernfamilie“ (Vater, Mutter oder minderjährige Kinder) in Österreich lebten, liege ein Asylgrund vor, hieß es von Seiten der Regierungsexperten. Da aber bei Anreise aus einem anderen europäischen Land keine Gefahr für Leib und Leben bestehe, könne nach Prüfung des Einzelfalls zurückgewiesen werden. Flüchtlinge hätten dann vom Ausland aus die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde beim Landesverwaltungsgericht.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) erneuerte seinen Aufruf an Deutschland, klarere Signale in Sachen Flüchtlingspolitik zu senden. Die deutsche Haltung, einerseits im Grunde an der Willkommenspolitik festhalten, andererseits aber die Flüchtlinge nicht mit Transitvisa bis in die Bundesrepublik ausstatten zu wollen, hänge wie ein „Damoklesschwert“ über Fragen der legalen und illegalen Einreise. Wenn Deutschland einige Hunderttausend Flüchtlinge aufnehmen wolle, sei das seine Sache. „Aber dann müssen sie sie von dort holen, wo die Menschen sind, bevor sie eine illegale Reise antreten.“

Das gelte gerade für den nun erwarteten Andrang auf der Italien-Route. „Sonst stehen wir bald vor einer schwierigen Situation am Brenner“, sagte Faymann. Niemand dürfe dafür belohnt werden, mit Hilfe von Schleppern illegal nach Deutschland oder in ein anderes EU-Land zu gelangen.

30 Mar 2016

TAGS

Flüchtlinge
Österreich
Asyl
Schnellverfahren
Österreich
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Italien
Idomeni
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Österreich

ARTIKEL ZUM THEMA

Angriff auf Flüchtlingsunterkunft: Erster Brandanschlag in Österreich

In Altenfelden nahe der Grenze zu Bayern brennt eine Unterkunft für Asylbewerber. Die Täter werden gesucht. Selbst die rechte FPÖ verurteilt die Tat.

Gegen Grenzkontrollen am Brenner: Rauchschwaden und Tränengas

Bei Protesten am Samstag ist es zu Ausschreitungen gekommen. Die italienische Polizei setzte Tränengas gegen hunderte Demonstrant*innen ein.

Fluchtwege nach Europa: Die neue Balkanroute

Laut UNHCR schaffen es täglich zwischen 30 und 40 Flüchtlinge aus Griechenland über Bulgarien nach Serbien. Vermutlich sind es mehr.

Kommentar Österreichs Flüchtlingspolitik: Der Flüchtling als Notstand

Die Regierungsparteien nutzen die Notverordnung zur Rettung ihrer Koalition. Sie versuchen so, die Erfolge der rechten FPÖ auszubremsen.

Kommentar versperrte Flüchtlingsrouten: Alleingelassene Italiener

Die Balkanroute ist dicht, Österreich mauert, Schengen geht dahin. Und in Libyen warten hundertausende Flüchtlinge auf ihre Überfahrt nach Italien.

Kommentar Flüchtlinge in Idomeni: Österreich trägt die Verantwortung

An der Grenze zu Mazedonien droht eine Eskalation. Anstatt eine europäische Lösung zu unterstützen, hat Wien auf Populismus gesetzt.

Vor dem EU-Innenministertreffen: Österreich will geschlossene Grenzen

Europas Grenzen bleiben für Flüchtlinge geschlossen, wenn es nach der österreichischen Innenministerin geht. So sitzen in Griechenland mehr als 35.000 Menschen fest.

EU-Flüchtlingsgipfel: Merkel will keine Grenzerin sein

Die Bundeskanzlerin hat sich gegen die Schließung der Balkanroute ausgesprochen. Und Ratspräsident Tusk will den Gipfel länger laufen lassen als geplant.

Österreichs Außenminister Kurz: Jung mit alten Ansichten

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (29) profiliert sich als Scharfmacher gegen Asylsuchende. Er gilt als Kanzlerreserve der ÖVP.