taz.de -- Kommentar Anschläge in Brüssel: Fragwürdiges Bashing

Halb Deutschland macht sich über die belgischen Terrorfahnder lustig. Dabei fällt auch hierzulande die Bilanz der Ermittler mager aus.
Bild: Noch immer wird der Flughafen in Brüssel stark bewacht

Irgendwie war schon immer klar: Außer Schokolade, Pommes und Bier kriegen die Belgier nichts auf die Reihe. Dies ist – kaum überspitzt – die deutsche Reaktion auf die Pannenserie, die die Suche nach den Terroristen von Brüssel überschattet. „Polizei kommunizierte per WhatsApp, Abdeslam war zu müde für Verhör“, machte sich Spiegel Online lustig.

Wer in Brüssel lebt und den Terror miterlebt hat, kann über derlei Schlagzeilen allerdings nicht lachen. Denn zum einen waren die vermeintlichen SPON-Exklusivmeldungen ziemlich alt; zum anderen fragt man sich, was denn eigentlich Deutschland tut, um Belgien aus der Patsche zu helfen.

Und da fällt die Bilanz ziemlich mager aus. Außer ein paar netten Worten und der Mahnung, Informationen endlich besser auszutauschen, fiel Bundesinnenminister Thomas de Maizière nicht viel ein. Deutschland selbst gibt keine Informationen an die Polizeibehörde Europol weiter.

So wissen wir bis heute nicht, was einer der Brüsseler Hauptverdächtigen, Salah Abdeslam, in Ulm getrieben hat, wo er im Herbst gesichtet wurde. Wir wissen auch nicht, warum der deutsche Salafist Samir E., der in Düsseldorf festgenommen wurde, gemeinsam mit dem Brüssel-Bomber Ibrahim El Bakraoui aus der Türkei ausgewiesen wurde.

Das ist merkwürdig. Denn gleichzeitig macht sich halb Deutschland darüber lustig, dass die Belgier nicht sofort reagiert haben, als die Türkei El Bakraouis Abschiebung in die Niederlande bekannt gegeben hat. Das war tatsächlich eine ernste Panne – hätten die belgischen Behörden geschaltet, hätten sich die Attentate in Brüssel womöglich verhindern lassen.

Doch auch die deutschen Behörden wirken alles andere als schlagkräftig – und das erst nicht seit gestern. Schließlich hatten sie schon die Hamburger Terrorzelle bei den Attentate vom 11. September übersehen. Auch beim NSU-Terror haben sie lange nichts gerafft. Deshalb wirkt der Spott gegen Belgien so deplatziert.

31 Mar 2016

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Eric Bonse

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