taz.de -- Kommentar Jagd auf Frauen in Kiel: Wir haben ein Problem
Zu sexuellen Übergriffen kam es im Kieler Einkaufszentrum zwar nicht, über falsche Frauenbilder muss dennoch gesprochen werden.
Männer machen in einem Einkaufszentrum Jagd auf Frauen, fotografieren sie, bedrängen sie, ihre Gruppe wird immer größer. Ein Albtraum. Doch die Situation im Einkaufszentrum Sophienhof in Kiel war, soweit man bisher weiß, nicht vergleichbar mit der in Köln in der Silvesternacht. Es gab wohl keine sexuelle Gewalt. Nur liest man solche Vorfälle inzwischen auf der Folie von Köln: Wer weiß, was noch hätte kommen können, als die Übermacht von Männern Frauen massiv belästigte? Macht Köln vielleicht sogar Schule?
Es fällt schwer, angesichts der nichtdeutschen Herkunft der Männer nicht in die alten Ängste vor dem dunklen Mann zu verfallen, der die weißen Frauen entehrt. Eine Angst, die quasi schon bereitliegt, weil die Zahl der Flüchtenden so beunruhigend groß ist. Überwältigungsfantasien stellen sich ein. Wenn man ihnen folgt, landet man in Blochers Schweiz, wo die geringste Straftat für eine zwingende Ausweisung der Geflüchteten ausreichen sollte.
Wer sich einen Rechtsstaat immer anders vorgestellt hat, kann aber auch nicht ins reine Relativieren verfallen. So richtig es ist, auf die Ausweitung von sexueller Belästigung auch in der Mehrheitsgesellschaft hinzuweisen – es gibt offenbar Einwanderer mit einem größeren Problem.
Es liegt ein Weltbild vor, in dem Frauen nur als Sexualobjekte ohne eigenen Willen vorkommen. Die alte muslimische Sexualunterdrückung samt Unterordnung der Frau und Geschlechtertrennung lässt grüßen. In der Mehrheitsgesellschaft ist dieser sexistische Blick natürlich ebenso vorhanden, nur eben sehr viel verstellter und verborgener.
An diesem Frauenbild muss gearbeitet werden, und zwar kräftig. Von allen. Und es gibt eine Gruppe, die besonders viel Einfluss auf die Zugewanderten hätte: Wir würden einen Riesenschritt geschafft haben, wenn die deutschen muslimischen Verbände anfingen, mit den Neuankömmlingen über echte Gleichberechtigung von Frauen zu sprechen.
29 Feb 2016
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