taz.de -- Angebliche Übergriffe auf Frauen in Kiel: „Dinge sind undramatischer“

Berichte von Übergriffen in einem Kieler Einkaufszentrum seien übertrieben, sagt die Polizei. „Da fehlte der eine oder andere Konjunktiv.“
Bild: Bestand die Gruppe der mutmaßlichen Belästiger vor allem aus Schaulustigen?

Kiel taz | Drei junge Frauen werden in einem Einkaufszentrum am Kieler Hauptbahnhof von „20 bis 30 Personen mit Migrationshintergrund“ belästigt – so meldete es die Polizei in der Schleswig-Holsteinischen Landeshauptstadt Ende vergangener Woche, [1][auch die taz berichtete] und [2][kommentierte den Vorfall]. Nun ist klar: „Die Dinge stellen sich undramatischer da“, es „fehlte der eine oder andere Konjunktiv“, so Polizeidirektor Joachim Gutt am Mittwoch im Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtags. Der Fall zeigt, wie schwer sich Polizei und Medien zurzeit tun, angemessen zu informieren.

Was in der Sophienhof-Einkaufspassage passierte, war für die 15-, 16- und 17-jährigen Mädchen unangenehm genug: In einem Lokal fühlten sie sich aus der Ferne von zwei „südländischen Typen“ angemacht und per Handy fotografiert. Später setzten sich die Männer auch an den Tisch und belästigten die Mädchen, bis ein anderer Mann den Sicherheitsdienst rief. Der Security-Mitarbeiter überwältigte die Belästiger und wurde von einer Menge anderer Männer umringt.

Die hinzugerufene Polizei empfand sie als „Neugierige“, so Gutt. Die Frauen „nahmen sie als homogene Masse“ und Verfolger wahr. Was stimmt, wird noch ermittelt. Zurzeit werden Handys ausgewertet und nach Fotos durchsucht.

Eigentlich verbietet der Pressekodex, Nationalitäten mutmaßlicher Täter zu nennen – diese freiwillige Selbstverpflichtung gilt eigentlich auch für Polizeisprecher. Doch seit der Kölner Silvesternacht ist vieles anders, und die Kieler Polizei steht nach einer früheren Kommunikationspanne unter besonderer Beobachtung. So „gehen wir lieber das Risiko ein, einen Vorab-Stand zu berichten, als den Anschein zu erwecken, wir würden etwas deckeln“, so Gutt.

Vor allem auf den elektronischen Plattformen geht es rund: Auf Twitter rauschte der Hashtag „Sophienhof“ unter die meistgelesenen, gehetzt wird gegen „linke Kläffer“, die die „Rapefugees“ auch noch verteidigten. „Angesichts des Drucks auf die klassischen Medien, der durch die sozialen Netzwerke extrem beschleunigt ist, bleibt auf keiner Seite mehr Zeit, Luft zu holen und nachzudenken“, sagt Bettina Neitzel, Geschäftsführerin des Deutschen Journalistenverbands in Schleswig-Holstein.

Von einem „Kommunikationsdilemma“ sprach Manuela Söller-Winkler (SPD), Staatsekretärin des Kieler Innenministeriums. Wenn in Zukunft „der Konjunktiv eingesetzt“ werde, hoffe sie darauf, „dass sich das auch in den Medien niederschlägt“.

3 Mar 2016

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Esther Geißlinger

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