taz.de -- Kommentar Anti-TTIP-Bewegung: Für ein besseres Europa
Kaum Solidarität in der EU. Und ausgerechnet die Anti-TTIP-Bewegung könnte helfen. Noch sind deren alternative Handelsideen aber zu diffus.
Die Europäische Union zerbröselt an allen Ecken und Enden, ihre Akzeptanz erodiert. Es scheint paradox: In dieser Lage gehört ausgerechnet die Bewegung gegen die von der EU forcierten transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und Ceta zu den wenigen Hoffnungsträgern für ein besseres Europa.
Die EU-Institutionen sind nicht in der Lage, der politischen Krise etwas entgegenzusetzen. Sie verschlimmern sie nicht nur mit ihrer Flüchtlings- und Austeritätspolitik. Auch das Festhalten an den neoliberal geprägten transatlantischen Handelsabkommen TTIP und Ceta ist ein Beispiel dafür.
Millionen von Menschen befassen sich mit diesem sperrigen Expertenthema, weil sie die Aushöhlung der Demokratie und eine Machtzunahme für Konzerne befürchten. Seit der Friedensbewegung hat es in Europa keine so großen Proteste gegen Regierungspläne gegeben.
Getragen wird diese Bewegung, deren deutscher Zweig sich in Kassel auf weitere Schritte gegen die Realisierung der Handelsabkommen verständigt hat, in der überwiegenden Mehrzahl von Menschen, die lokal handeln und global denken. Vordergründig ist das Ziel der Aktivistinnen und Aktivisten, das Inkrafttreten von TTIP und Ceta zu verhindern.
Wie könnte die Alternative zu TTIP aussehen?
Aber es geht um viel mehr. Sie wollen eine andere europäische Wirtschafts- und Handelspolitik – aber nicht zurück zum Nationalstaat. Sie bauen ihr grenzüberschreitendes Netzwerk weiter aus, mit dem auch ein neues Europa von unten wächst – eines, das auf Solidarität und auf mehr statt weniger Demokratie setzt.
Noch sind die Vorstellungen einer alternativen Wirtschafts- und Handelspolitik diffus. Es wird höchste Zeit, dass sie konkreter werden. Immerhin gibt es vielversprechende Ansätze: Das Bündnis gegen TTIP, das von vielen großen Organisationen und Gewerkschaften getragen wird, will bei einem Kongress klare Programmpunkte für eine andere Wirtschaftspolitik formulieren.
Was Parteien und Regierungen nicht geschafft haben, kann auf diesem Weg vielleicht gelingen: die Vision eines nicht nur formal demokratischen und solidarischen Europa zu entwickeln, das Stück für Stück Wirklichkeit wird. Wenn das gelingt, wird diese Bewegung auch Bestand haben, wenn im Laufe dieses Jahres die EU-Institutionen ohne Rücksicht auf Verluste Ceta und TTIP durchpeitschen.
29 Feb 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Nichts ist liberalen Ökonomen so heilig wie der freie Handel – doch effizienter Freihandel ist unrealistisch. Deutschland ist dafür das beste Beispiel.
Vor dem Parteikonvent: Der SPD-Chef nutzt den Besuch der kanadischen Handelsministerin, um für den Wirtschaftspakt zu werben.
Das umstrittene Abkommen von EU und Kanada soll ohne Zustimmung des Bundestags in Kraft treten. Kritiker werfen Gabriel Wortbruch vor.
Vor der nächsten Runde fordert Paris Zugeständnisse von den USA. Ohne Investitionsgerichtshof sei das TTIP-Abkommen nicht akzeptabel.
Der Versuch von Wirtschaftsminister Gabriel, Sondergerichte einzuführen, ist gescheitert. Der Widerstand gegen Ceta wird zunehmen.
Nächste Großdemo am 23. April, Aktionstag am 5. November, Kongress: 500 TTIP-Gegner beschließen in Kassel, den Druck aufrechtzuerhalten.
Das Freihandelsabkommen TTIP wird immer unbeliebter. In Kassel suchen Aktivisten nach Mitteln, um es zum Scheitern zu bringen.
Am Montag beginnt die 12. Verhandlungsrunde zu TTIP. Gosia Binczyk gehört zur europäischen Delegation. Sie ist von Anfang an dabei.