taz.de -- Frankreichs restriktive Innenpolitik: Der Ausnahmezustand wird Regel

Die Regierung will die seit dem 13. November geltenden Sonderrechte für Sicherheitsorgane um drei Monate verlängern. Ein weiteres Antiterrorgesetz ist geplant.
Bild: Dafür sind wir 89 nicht auf die Straße gegangen. Also: 1789

Paris dpa | Frankreichs Regierung hat eine weitere Verlängerung des Ausnahmezustands auf den Weg gebracht, der nach den Pariser Terroranschlägen vom November mit 130 Toten verhängt worden war. Innenminister Bernard Cazeneuve und Premierminister Manuel Valls stellten den Gesetzentwurf am Mittwoch im Kabinett vor.

Die zunehmend umstrittenen Sonderrechte für die Sicherheitsorgane sollen um weitere drei Monate ausgedehnt werden. Das Parlament muss über den Vorschlag entscheiden. Zudem stellte die Regierung einen weiteren Gesetzestext vor, der den Ermittlungsbehörden weitere Befugnisse für den Anti-Terror-Kampf geben soll.

Frankreich hatte nach der islamistischen Mordserie vom 13. November den Ausnahmezustand verhängt, der unter anderem Hausdurchsuchungen und Hausarrest ohne Richterbeschluss ermöglicht. Das Parlament hatte ihn bereits einmal verlängert, er gilt derzeit bis Ende Februar. Der Generalsekretär des Europarats hatte auf die Ankündigung einer neuen Verlängerung mit Besorgnis reagiert und auf Risiken hingewiesen. Am Samstag waren Tausende Menschen in mehreren Städten gegen die geplante Verlängerung [1][auf die Straße gegangen].

Der Ausnahmezustand sei notwendig, argumentierte Regierungssprecher Stéphane Le Foll. Bei 3.289 Durchsuchungen seien 560 Waffen sichergestellt worden. Von 407 verhängten Hausarresten seien nur zwei vom obersten Verwaltungsgericht aufgehoben worden. Das ebenfalls von den Ministern beratene Sicherheitsgesetz soll die Regeln für den Waffeneinsatz der Sicherheitskräfte lockern, die Kontrolle von Dschihad-Rückkehrern stärken und in Terrorismus-Fällen nächtliche Hausdurchsuchungen ermöglichen.

Eine bereits im Dezember auf den Weg gebrachte Verfassungsänderung soll den Ausnahmezustand in der Verfassung verankern, die Plenarberatungen in der Nationalversammlung beginnen am Freitag. Das Vorhaben ist umstritten, weil Präsident François Hollande es ermöglichen will, Terroristen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Weil dies de facto nur Franzosen treffe, die noch einen weiteren Pass haben, sehen Kritiker darin eine Stigmatisierung von Doppelstaatsbürgern. Im Streit darüber war Justizministerin Christiane Taubira zurückgetreten.

3 Feb 2016

LINKS

[1] /Innere-Sicherheit-in-Frankreich/!5274440/

TAGS

Schwerpunkt Frankreich
Bürgerrechte
Terrorabwehr
Ausnahmezustand
Sicherheitspolitik
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
Ausnahmezustand
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
„Islamischer Staat“ (IS)
Paris

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Frankreichs Sicherheitspolitik: Antiterror ad absurdum

Präsident Hollande will mit einem Entzug der Staatsbürgerschaft Terroristen bekämpfen. Das wird nicht funktionieren.

Ausnahmezustand in Frankreich: Keine Ausnahme mehr

Drei Monate nach den Anschlägen von Paris hat die französische Nationalversammlung die Verankerung des Ausnahmezustands in der Verfassung beschlossen.

Ausnahmezustand in Frankreich: Grober Schandfleck in der Verfassung

François Hollande hat sich links und rechts verpokert. Ein Entzug der Staatsbürgerschaft für Dschihadisten bringt nichts und sieht nicht gut aus.

Falscher Bombenalarm an Pariser Schulen: „Ihr werdet alle sterben“

Nicht nur in Paris, sondern weltweit gehen massenhaft Bombendrohungen gegen Schulen ein. Dazu hat sich die Gruppe „Evacuation Squad“ bekannt.

Innere Sicherheit in Frankreich: Demos gegen den Ausnahmezustand

Seit dem 13. November gilt der Ausnahmezustand in Frankreich. Tausende gehen dagegen auf die Straße. In Sprechchören wettern sie gegen den „Polizeistaat“.

Ausnahmezustand in Frankreich: Justiz weist Klage zurück

Die Menschenrechtsliga hatte ein Ende der Maßnahme gefordert. Das oberste Verwaltungsgericht urteilte, dass „die unmittelbare Gefahr“ noch nicht gebannt sei.

Notstand in Frankreich: „Staatsfeinde“ ohne Ende

Premierminister Valls will den Ausnahmezustand verlängern, bis der IS besiegt ist. Die Menschenrechtsliga reicht Beschwerde ein.

Nach den Anschlägen in Paris: Reine Staatswillkür

In Frankreich gilt der Ausnahmezustand – mit einer fragwürdigen Bilanz. Jetzt will die Regierung ihn in der Verfassung verankern. Das ist alarmierend.