taz.de -- Flüchtlingskrise in Europa: Merkel hält an Kurs fest

Bei dem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutolgu bekräftigt Kanzlerin Angela Merkel die Zusammenarbeit. Auch die EU-Zahlungen sicherte sie zu.
Bild: Bei den deutsch-türkischen Regierungskonsultationen: Davutoglu und Merkel.

Berlin dpa | Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will ihren Kurs zur Bewältigung der Flüchtlingskrise gegen alle Kritik fortsetzen und sieht sich trotz großer Uneinigkeit der EU-Partner nicht isoliert. „Einzelne Lösungen, jeder Staat für sich, werden uns da nicht weiterhelfen, sondern wir brauchen einen gesamteuropäischen Ansatz“ sagte sie nach den ersten deutsch-türkischen Regierungskonsultationen am Freitag in Berlin. Die Kanzlerin räumte „Verspätungen“ bei der Umsetzung von EU-Vereinbarungen ein, betonte aber auch mit Blick auf den EU-Gipfel Mitte Februar: „Darauf werde ich sehr stark achten.“

Auf die Frage, ob sie sich einsam fühle, sagte Merkel: „Den Eindruck habe ich nicht.“ Sie sei „innerlich sehr davon überzeugt“, dass man bei den Fluchturschen ansetzen müsse und dass es ein großes Interesse der Europäischen Union gebe, den Schengen-Raum mit seinem freiem Reiseverkehr aufrechtzuerhalten. Merkel mahnte an, dass der in der EU vereinbarte Aufbau von Registrierungszentren für Flüchtlinge in Griechenland und Italien umgesetzt werden müsse. Angesichts weiterhin hoher Flüchtlingszahlen drängt vor allem CSU-Chef Horst Seehofer die Kanzlerin mit immer schärferen Attacken zu einem Kurswechsel.

Merkel sicherte der Türkei ausdrücklich die von der EU in Aussicht gestellten drei Milliarden Euro für eine bessere Versorgung der dort lebenden 2,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien zu. Die EU und die Türkei hatten dazu einen gemeinsamen Aktionsplan vereinbart. Noch ist aber kein Geld geflossen. Auch Maßnahmen der Türkei zur Reduzierung der Zuwanderung über die Balkanroute kommen schleppend voran. Zum EU-Gipfel am 18. Februar sollen konkrete Projekte erarbeitet werden. Merkel betonte, bei der von ihr angekündigten Zwischenbilanz nach dem Gipfel gehe es nicht darum, „dass man den Grundansatz hinterfragt“.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, es handele sich nicht um eine Herausforderung für Deutschland, die Türkei oder Europa allein. Wenn jeder nur irgendwie versuche, die Krise auf den anderen zu schieben, werde es nicht gelingen, die Probleme zu lösen. Der Kanzlerin sagte er Solidarität zu. „Weder Frau Merkel noch Deutschland ist in diesem Zusammenhang allein.“ Die Türkei gehe in dieser kritischen Phase „Hand in Hand mit Deutschland“.

Ein bisschen Kritik

Vor den Regierungskonsultationen hatte Davutoglu deutlich gemacht, dass Ankara von der EU mehr als die versprochenen drei Milliarden Euro erwartet. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur, die bisherigen Zusagen seien „nur dazu da, den politischen Willen zur Lastenteilung zu zeigen“. Der Ministerpräsident fügte hinzu: „Niemand kann von der Türkei erwarten, die gesamte Last alleine zu tragen.“

Zu dem jüngsten Anschlag in Istanbul sagte Davutoglu bei dem gemeinsamen Auftritt mit Merkel auf Deutsch: „Das war ein Terrorakt gegen die Menschlichkeit.“ Deutschland und die Türkei seien vereint im Kampf gegen den Terrorismus. Dieser dürfe niemals seine schmutzigen Ziele erreichen. Bei dem Attentat waren in der vergangenen Woche zehn deutsche Urlauber getötet worden.

Heikle Punkte im Verhältnis zur Türkei streifte die Kanzlerin in der Pressekonferenz eher kurz. Im Osten des Landes gehen Sicherheitskräfte massiv gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vor. Auch Ankaras Umgang mit Journalisten stößt international auf Widerspruch. Merkel sagte, auch kritische Themen wie die Arbeit von Journalisten in der Türkei und die Verhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK seien auf den Tisch gekommen. Sie warb für eine politische Lösung mit der PKK und beklagte, dass auch viele unschuldige Menschen betroffen seien.

22 Jan 2016

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