taz.de -- Flüchtlinge in Griechenland: Zum Warten verdammt

Unter den Flüchtlingen an der mazedonischen Grenze wachsen Angst und Verzweiflung. Sie wissen nicht, ob und wann es weitergeht.
Bild: Es ist unklar, wie lange die Wartezeit in Idomeni sein wird.

Idomeni taz | Der 23-jährige Arif steht in einer Menschengruppe vor dem Flüchtlingscamp, das sich gleich hinter dem Grenzübergang Idomeni-Gevgilija, von Griechenland nach Mazedonien, befindet. Er hat einen Beutel neben sich abgestellt und den Reißverschluss seiner Winterjacke fest zugezogen. Seine drei kleinen Geschwister und seine Mutter stehen schweigend neben ihm.

Arif schaut immer wieder über ein paar Köpfe hinweg in Richtung Grenze, spricht mit ein paar anderen wartenden Männer. Man habe im Camp gehört, dass die Grenze vielleicht doch noch geöffnet werde. Daher habe sich die Menschentraube hier gebildet, sagt Arif. Er und seine Familie sind aus Afghanistan bis hierher gekommen. Jetzt sitzen sie fest. Gestern sei die Grenze noch offen gewesen, habe er von einem Bekannten über Facebook erfahren.

Doch da waren seine Familie und er noch an der Tankstelle, 20 Kilometer vor der Grenze. Dort werden die Flüchtlinge von der griechischen Polizei das erste Mal aussortiert. Diejenigen, die aus Afghanistan, dem Irak oder aus Syrien kommen, werden ins Flüchtlingscamp gebracht, um dort zu warten, bis sie die Grenze passieren dürfen. Alle anderen müssen zurück nach Athen.

Doch bevor man ins Camp gelassen wird, muss man hier an der Tankstelle ausharren, bis die Polizei ihr Okay zur Weiterfahrt gibt. Das kann bis zu zwei Tage dauern. Drei NGO-Zelte stehen den Wartenden auf einer Rasenfläche der Tankstelle zur Verfügung. Dort oder im Bus, der sie aus Athen gebracht hat, können sie übernachten.

Von den TankstellenbesitzerInnen ist es den Hilfsorganisationen nur gestattet, ein paarmal pro Tag Sandwiches zu bringen. Warmes Essen oder Babynahrung müssen sich die Menschen teuer an der Tankstelle kaufen. Das ist der Deal, um den Platz mit den Toiletten und dem Bistrocafé als Ort der Vorkontrolle nutzen zu können.

Viele Flüchtlinge, die offiziell nicht die Grenze passieren dürfen, versuchen, sich von Schleppern illegal über die Grenze bringen zu lassen. Sie verschwinden in den Feldern ringsherum. Doch seit gestern Abend ist die Grenze zu Mazedonien auch für jene gesperrt, die bis zum Flüchtlingscamp vorgedrungen sind.

Hoffnung und Enttäuschung

Die Menschen werden unruhig. Auch Arif versucht, mit dem griechischen Grenzpolizisten zu sprechen. Der versucht den Menschen zu erklären, dass die Grenze dicht ist. Man habe keine weiteren Informationen von der mazedonischen Seite, man könne nichts machen.

Der Polizist holt sich einen Übersetzer von einer der NGOs aus dem Camp. Die Menschen verstehen. Die hoffnungsvolle Aufregung wechselt in Enttäuschung. Freundlich, aber bestimmt treiben die Polizisten die Menschen wieder in Richtung der Zelte, die die NGOs den Flüchtlingen zur Verfügung stellen.

Ja, die Situation im Camp sei erträglich, sagt Arif. Die Zelte seien warm, und es gebe sogar ein Kinderzelt mit kleinen Tischen, Stühlen und Buntstiften. „Doch wie soll es weitergehen? Wir sitzen fest“, sagt er in leiser Verzweiflung. „Ich habe Angst, dass uns immer mehr Länder nicht mehr hineinlassen wollen“.

22 Jan 2016

AUTOREN

Theodora Mavropoulos

TAGS

Schwerpunkt Flucht
Balkanroute
Griechenland
Mazedonien
Idomeni
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Mazedonien
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht

ARTIKEL ZUM THEMA

Flüchtlinge in Europa: Direktflucht nach Deutschland

In Griechenland stranden immer mehr Menschen. Österreichs Bundeskanzler Faymann fordert, Flüchtlinge direkt nach Deutschland bringen.

Flüchtlinge in Griechenland: Auf der Autobahn gen Norden

Hunderte Migranten sind zu Fuß zur mazedonischen Grenze aufgebrochen. Die Nachricht von der faktischen Grenzschließung sorgt für Panik.

Flüchtlinge an der mazedonischen Grenze: Legal fliehen, illegal fliehen

Wer darf durch den Zaun von Griechenland nach Mazedonien – und dann nach Westen – weiterreisen? Nicht nur Afghanen sitzen hier jetzt fest.

Mazedonisch-griechische Grenze: Erst geschlossen, dann wieder offen

Zwischenzeitlich war die Balkanroute dicht: Doch nun ist die Grenze zu Mazedonien wieder passierbar. Hunderte Flüchtlinge harrten auf griechischer Seite aus.

Flüchtlinge in Griechenland: Tausende in Piräus

Wegen Streiks fuhren in Griechenland mehrere Tage keine Fähren. Am Samstag transportierten sie wieder viele Flüchtlinge auf das Festland.

Flüchtlingskrise in Europa: Merkel hält an Kurs fest

Bei dem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutolgu bekräftigt Kanzlerin Angela Merkel die Zusammenarbeit. Auch die EU-Zahlungen sicherte sie zu.

Flüchtlinge auf der Balkanroute: Über sieben Grenzen

Die Situation auf der sogenannten Balkanroute kann sich jeden Tag ändern. Doch wie verläuft die Reise von Griechenland nach Deutschland bisher?

Flüchtlinge in Griechenland: Weiter nur mit dem Ziel Deutschland

Zwei Tage mussten Flüchtlinge an der geschlossenen mazedonischen Grenze warten. Jetzt werden sie weitergeschickt, mit improvisierten Papieren.

Kommentar Flüchtlingspolitik in Europa: Auge um Auge, Zaun um Zaun

Die Länder der Balkanroute bereiten sich auf die Schließung der Grenzen vor. Jede Regung in Berlin kann zum Anlass dafür werden.

Flüchtlinge in Griechenland: Mazedonien öffnet die Grenze wieder

Nach Serbien und Kroatien will nun auch Mazedonien nur noch Menschen mit den Zielen Deutschland oder Österreich ins Land lassen.

Debatte Merkels Flüchtlingspolitik: Yes, we can‘t

Souveräne Flüchtlingspolitik statt Abwehr, gelassene Macht statt Hysterie: Mit jedem Tag habe ich mehr Angst vor einer Zukunft ohne Merkel.