taz.de -- Bauprojekt dank Flüchtlingen: „Situation verändert“

Ohlstedt wehrt sich gegen eine Flüchtlingsunterkunft am Wohldorfer Wald. Ob dort überhaupt gebaut werden soll, ist schon seit zwei Jahrzehnten umstritten.
Bild: In winterfesten Zelten sind derzeit etliche Flüchtlinge in Hamburg untergebracht

HAMBURG taz | In Ohlstedt lässt das hohe Flüchtlingsaufkommen den Streit um ein lange geplantes Baugebiet wieder aufflammen. Ohlstedter BürgerInnen wehren sich gegen den Bau einer großen Flüchtlingsunterkunft an der Hoisbütteler Straße, nicht weit vom Endhaltepunkt der U1. Den Bürgerschaftsabgeordneten Christiane Blömeke (Grüne) und Andreas Dressel (SPD) werfen sie vor, die Interessen des Stadtteils aus dem Blick verloren zu haben.

Im Zentrum von Ohlstedt sind zurzeit 420 Flüchtlinge in winterfesten Zelten untergebracht. Alle Seiten sind sich einig, dass dieser Zustand beendet werden soll. Zu diesem Zweck erwägen der Senat und der Bezirk Wandsbek, mehrere Tausend Schutzsuchende auf dem 19 Hektar großen Gelände unterzubringen.

Schon 2002 indes hatte der Senat vor, aus dem Gelände ein Baugebiet für 250 Wohnungen zu machen. Wegen des Widerstands der Anwohner wurde diese Zahl auf 188 reduziert und der Bebauungsplan immer wieder aufgeschoben. Derzeit gilt ein Moratorium bis 2020: Anwohner und Naturschützer lassen ihre Klagen gegen den Plan ruhen, die Stadt baut nicht.

Aus Sicht der Grünen-Bürgerschaftsabgeordneten Blömeke hat die Notwendigkeit, schnell viele Flüchtlinge unterbringen zu müssen, „die Situation für die Stadt komplett verändert“. Zusammen mit ihrem SPD-Kollegen Dressel schlägt sie daher vor, eine Erstaufnahme- oder Folgeeinrichtung für mehr als 420 Menschen mit Holzhäusern zu errichten. Diese solle nach spätestens zehn Jahren wieder abgerissen werden. Zusätzlich sollten jedoch 90 dauerhafte Wohnungen entstehen und das Gebiet dauerhaft vor weiterer Bebauung bewahrt werden. Unter dem gegenwärtigen Druck werde sich der Wohnungsbau auf Dauer ohnehin nicht verhindern lassen.

Diese Botschaft scheint jedoch nicht angekommen zu sein: Viele Ohlstedter hätten den Eindruck, „dass die Politik die Flüchtlinge nur zur Erpressung der Ohlstedter benutzen möchte, damit diese die Fläche langfristig komplett freigeben und die Stadt eine Großsiedlung mit mehren tausend Menschen am Stadtrand bauen kann“, schreibt Christian Becker, Betreiber des [1][„Ohlstedtblog“.]

Thomas Laube von der Initiative „Zukunft! Ohlstedt“ [2][versichert] Kompromissbereitschaft: Die Ohlstedter hätten sich sehr für die Flüchtlingsintegration engangiert. Das Dorf dürfe aber nicht durch eine zu große Zahl an Flüchtlingen überfordert werden.

13 Jan 2016

LINKS

[1] http://ohlstedtblog.de
[2] http://www.zukunft-ohlstedt.com/

AUTOREN

Gernot Knödler

TAGS

Hamburg
Rot-Grün Hamburg
Bauen
Stadtentwicklung Hamburg
Schwerpunkt Flucht
Griechenland
Schwerpunkt Flucht

ARTIKEL ZUM THEMA

Winter-Unterbringung von Flüchtlingen: Noch immer Zelte als Unterkunft

Mehr als 2.500 Flüchtlinge trotzen der Kälte in Zelten. Im Norden haben noch immer viele kein festes Dach über ihrem Kopf – in Berlin und Hessen aber alle.

Abschiebestopp für Griechenland verlängert: Weiterhin katastrophale Verhältnisse

Abschiebungen von Deutschland nach Griechenland sind seit 2011 ausgesetzt. Den Stopp hat der Innenminister nun auf den letzten Drücker verlängert.

Berlin: Politikirrsinn nach Köln: Rein ins Ghetto, raus aus dem Ghetto

Auch Berliner Politiker beteiligen sich nun am munteren Vorschlagskarussell nach den Ereignissen von Köln. Geht‘s noch?

Kolumne Press-Schlag: Mehr als nur Sport und Halle

Flüchtlinge immer in Turnhallen unterbringen zu wollen, zeugt von großer Ignoranz. Denn gleichzeitig soll der Sport doch zur Integration beitragen.