taz.de -- Einsatz gegen IS in Syrien und Irak: Kanada beendet Luftangriffe
Nach der Wahl in Kanada stoppt Sieger Justin Trudeau den Kampfeinsatz gegen den IS. Russland und USA wollen ihren Luftangriffe künftig koordinieren.
Ottawa/Washington afp/ap | Nach dem Wahlsieg der Liberalen beendet Kanada seine Luftangriffe gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak. Liberalen-Chef Justin Trudeau, dessen Partei bei der Parlamentswahl am Montag die absolute Mehrheit geholt hatte, informierte US-Präsident Barack Obama nach eigenen Angaben am Dienstag (Ortszeit) in einem Telefonat über die Entscheidung.
Kanada werde zwar ein „starkes Mitglied“ der US-geführten Koalition gegen den IS bleiben, sagte Trudeau vor Journalisten. Er habe Obama aber darüber informiert, dass der „Kampfeinsatz“ beendet werde.
Der IS kontrolliert seit dem Sommer vergangenen Jahres große Gebiete im Irak und in Syrien. Eine internationale Koalition unter Führung der USA begann im August 2014, mit Luftangriffen gegen IS-Stellungen im Irak vorzugehen. Einen Monat später wurden die Einsätze auf IS-Ziele in Syrien ausgeweitet. Kanada gehört der Koalition seit November an und schickte CF-18-Kampfflieger sowie rund 70 Spezialkräfte zur Ausbildung kurdischer Kämpfer im Nordirak in die Region.
Trudeau hatte im Wahlkampf versprochen, den Kampfeinsatz der Kanadier zu beenden. Die Ausbildungsmission will er aber fortsetzen. Trudeaus Liberale hatten bei der Parlamentswahl laut vorläufigem Ergebnis eine komfortable Mehrheit von 184 der 338 Abgeordneten im Unterhaus erzielt. Der bisherige konservative Premierminister Stephen Harper trat nach der Niederlage zurück.
USA und Russland sprechen Luftangriffe ab
Die USA und Russland haben unterdessen ein Abkommen zur Koordinierung ihrer Luftangriffe in Syrien unterzeichnet. Ziel sei es, gefährliche Zwischenfälle im syrischen Luftraum zu verhindern, teilte Pentagonsprecher Peter Cook am Dienstag mit. Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums in Moskau bestätigte die Übereinkunft.
Russland hatte am 30. September einen eigenen Militäreinsatz in Syrien begonnen, der sich nach Angaben aus Moskau in erster Linie gegen die Terrormiliz Islamischer Staat und andere extremistische Gruppen richtet. Aus Washington kommt jedoch der Vorwurf, die Luftangriffe Moskaus gälten vor allem den Rebellengruppen, die gegen die syrische Führung kämpften. Die USA und ihre Verbündeten fliegen bereits seit dem vergangenen Jahr Luftangriffe gegen den IS in Syrien.
Zuletzt hatte das Pentagon jedoch einige Vorfälle gemeldet, bei denen russische Maschinen amerikanischen Kampfjets über dem Luftraum des Bürgerkriegsland zu nahe gekommen seien. Vor diesem Hintergrund trafen beide Länder nach mehr als einwöchigen Gesprächen eine Vereinbarung, um das Risiko von Kollisionen zu vermeiden.
Für die US-Seite habe General Lloyd Austin vom US-Zentralkommando das Abkommen unterschrieben, sagte Pentagonsprecher Cook in Washington. Auf Wunsch Russlands bleibe der genaue Wortlaut des Dokuments jedoch geheim. Zu den vereinbarten Punkten gehöre die „Aufrechterhaltung einer professionellen Flugzeugführung“ sowie der Einsatz bestimmter Kommunikationsfrequenzen. Zudem habe man sich darauf geeinigt, einen „Sicherheitsabstand“ zwischen Luftfahrtzeugen einzuhalten.
Ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums deutete zudem an, dass sich aus der Übereinkunft potenziell auch eine Anti-Terror-Kooperation zwischen Washington und Moskau ergeben könnte. Dies wies Pentagonsprecher Cook jedoch zurück. Es gebe keinen Plan, bei den parallel verlaufenden Luftangriffen Zonen der Kooperation zu schaffen, Geheimdiensterkenntnisse oder Informationen über Ziele in Syrien auszutauschen. Vielmehr blieben die Bedenken Washingtons über die russischen Militäraktionen trotz der Absprachen bestehen, sagte Cook.
Irak verspricht, keine russischen Luftangriffe anzufordern
Im Irak nahm US-Generalstabschef Joseph Dunford der Regierung in Bagdad das Versprechen ab, keine russischen Luftangriffe oder andere Moskauer Hilfe im Kampf gegen den IS anzufordern. Er habe den irakischen Regierungschef Haider al-Abadi und dessen Verteidigungsminister Chaled al-Obeidi bei einem Treffen vom Dienstag vor die Wahl gestellt, erklärte Dunford. „Ich habe gesagt, dass es sehr schwierig für uns wäre, die nötige Unterstützung zu leisten, wenn die Russen hier auch Operationen ausführen würden.“
Damit reagierte Dunford auf Berichte, wonach al-Abadi Offenheit für russische Luftangriffe im Irak signalisiert habe. Dies habe in den USA „Angst“ ausgelöst, sagte der Generalstabschef.
21 Oct 2015
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Einsatzkräfte haben in letzter Minute ein Attentat nahe Toronto verhindert. Dabei wurde ein IS-Sympathisant getötet.
Ministerpräsident Trudeau erfüllt ein Wahlversprechen: Das kanadische Militär fliegt keine Luftangriffe mehr. Die Zahl der Spezialkräfte im Nordirak wird dafür erhöht.
Justin Trudeau präsentiert ein Kabinett mit 50 Prozent Frauenanteil. Er verspricht Transparenz, ein Ende des Sparkurses und die Aufnahme syrischer Flüchtlinge.
Der Auswärtige Ausschuss des Parlaments lehnt eine Beteiligung an Luftangriffen gegen den IS in Syrien ab. Man solle sich lieber diplomatisch mehr engagieren.
Die Irak-Invasion habe mit dazu beigetragen, dass der „Islamische Staat“ so stark wurde, so der britische Ex-Premier.
Das syrische Regime hat mit Russlands Kriegseintritt neuen Mut zur Offensive geschöpft. Für die Menschen in Aleppo ist das eine Katastrophe.
Krieg, Klima, Flüchtlinge: Premier Justin Trudeau will die Außenpolitik umkrempeln. Nur beim Handel gibt es wohl keinen Wandel.
Der syrische Staatschef Baschar al-Assad trifft Wladimir Putin zum „Arbeitsbesuch“ in Moskau und dankt Russland für sein Eingreifen gegen „Terroristen“.
Ein ermutigendes Zeichen: Kanadas bisheriger Premier Stephen Harper wetterte gegen Muslime und Flüchtlinge. Der Schuss ging nach hinten los.
Justin Trudeau gelingt in Kanada ein historischer Machtwechsel. Das Land besinnt sich wieder stärker auf seine liberalen Wurzeln.
Jemenitsche Regierungstruppen erobern Sirwa von den Huthi. Beim Bombardement einer Hochzeit starben 51 Menschen. Unklar ist noch, welche Partei angriff.
Der US-Befehlshaber in Afghanistan ändert jetzt die offizielle Version für den fatalen Luftangriff auf die Klinik von Ärzte ohne Grenzen.
Die USA unterstützen Afghanistan mit Luftschlägen, um die Taliban aus Kundus zu vertreiben. Bomben trafen versehentlich eine Klinik. 16 Menschen starben.