taz.de -- Die Wahrheit: Knoblauch gegen Katzenkrimi
Hilfe! Meine Bücher sind infiziert! Ein Band von Akif Pirinçci streut Bösartiges ins Regal! Da hilft nur eins: Burgmauern aus guten Werken.
Als ich den Satz hörte, fing es an zu jucken. Eine schnell fortschreitende Allergie. Ich fühlte mich vergiftet. Das steigerte sich minütlich, seit Akif Pirinçci den Satz gesagt hatte: „Die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb!“ Dieser Pirinçci hatte doch diese Katzenkrimis geschrieben, als ersten „Felidae“. Und den hatte ich gelesen. Den fand ich damals gut!
Eine Schameswelle überflutete mich. Der musste hier doch irgendwo sein! Eine Kontamination meines Bücherschranks. Das Buch musste sofort entsorgt werden. Hektisch durchforstete ich Zimmer und Regale. Indiana Jones und das Katzenbuch des Todes. Ich habe viele Zimmer und noch mehr Regale. Der sollte nicht meine wunderbaren Werke von Stamm, Capus, von Haggard, Hammett und Chandler, von Fauser, Bukowski und all den anderen vergiften. Hoffentlich war denen noch nichts passiert! Wie hatte ich den hier reinlassen können?
Wenn man Heavy-Metal-Platten rückwärts spielt, kann man satanische Botschaften hören. Vielleicht hatte Pirinçci mit seinen scheinbar harmlosen Katzenkrimis Bösartiges zwischen meine Buchrücken gestreut! Ich fand Wallraffs „Ganz unten“ wieder, tatsächlich in einem Stapel ganz unten. Ich stellte es sofort oben ins Regal. Gut sichtbar, wie Knoblauch gegen Vampire.
Ich fand den Sarrazin und riss ihn aus dem Regal. „Deutschland schafft sich ab!“ Den hatte ich gekauft, weil ich dachte, man müsste sich damit „auseinandersetzen“. Ich stellte dann fest: Scheiße kann man nicht lesen. Ich musste dieses Buch abschaffen! Aber wie? Bücher sind heilig! Habe ich ein Buch gelesen, sieht es aus wie neu. Wenn jemand ein Buch beim Aufschlagen knickt, sterbe ich einen kleinen Tod. Frauen haben sich von mir getrennt, weil sie verlangten: „Ich oder das Buch!“
Von der Dummheit, dieses Buch auch noch gekauft zu haben, ganz abgesehen: Wie sollte man es entsorgen? Es sollte ja auch niemand anders lesen. Schon gar keiner, der Sarrazins Meinung ist.
Ein Wunder, dass sich Pirinçci und Sarrazin noch nicht zusammengetan und in meinem Regal Schulterschluss geübt hatten. Wer hätte sich denen womöglich noch zur Seite gestellt? Ich baute einen ersten Verteidigungswall aus Venske, Rühmkorf, Knorr, Werning und Eckenga. Ich verstärkte ihn weiter, weil Komik die stärkste Waffe ist, mit Wieland, Eilert, Waechter, Sonneborn und Wischmeyer.
Und dann holte ich nach vorn, was lange hinten stand: die Ausgaben von Fink und Kästner. Burgmauern wurden aus den Werken von Brecht, Hilsenrath, den Manns, Tucholsky, Lasker-Schüler, Traven, Zuckmayer und anderen. Sie alle waren vor den Nazis geflohen, hatten, wenn auch manchmal privilegierter, ein ähnliches Schicksal wie die heutigen Flüchtlinge in Deutschland.
Allein, der Pirinçci war nicht zu finden. Sollte ich mich freuen? Oder hielt er sich irgendwo im Dickicht meiner Stapel versteckt? Egal, für den Sarrazin zumindest fand ich eine Lösung. Er liegt nun auf der Toilette. Und die Seiten 7 bis 56 fehlen bereits.
23 Oct 2015
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