taz.de -- Kommentar Ukraine-Krise: Zynische Geiselname

Pro-russische Kämpfer fordern Hilfswerke auf, das Gebiet Lugansk zu verlassen. Das bedeutet auch einen Rückschlag für die Friedensbemühungen.
Bild: Pro-russische Kämpfer 75 Kilometer entfernt von Donezk.

Es ist ein weiterer Akt der Sabotage. Oder wie soll man den Aufruf pro-russischer Kämpfer an die Vereinten Nationen sowie andere internationale Hilfsorganisationen sonst bezeichnen, sich umgehend aus der Region Lugansk zurückzuziehen?

Deren Tätigkeit wird von den Machthabern bereits seit Monaten nach Kräften behindert und zwar durch die Vorschrift, sich vorab registrieren lassen zu müssen. Jetzt kommen noch so komplett abtruse Beschuldigungen hinzu, wie die an die Adresse von „Ärzte ohne Grenzen“, phsychoaktive Medikamente illegal gelagert zu haben.

Mit ihrem Vorgehen tun die Rebellen wieder einmal nichts anderes, als die Friedensbemühungen zu torpedieren. Dabei schien es seit Monaten erstmals Anlass zu der Hoffnung zu geben, den Konflikt doch noch mit friedlichen Mitteln beizulegen.

Der in Minsk vereinbarte Waffenstillstand hält leidlich gut. Und der Plan des französischen Diplomaten Pierre Morel scheint die Möglichkeit zu eröffnen, die bevorstehenden Lokalwahlen so zu organisieren, dass sowohl die ukrainische Regierung als auch die Rebellen ihr Gesicht wahren können.

Perfides Spiel

Leidtragende dieses perfiden Spiels, das humanitäre Hilfe für politische Zwecke instrumentalisiert, sind wieder einmal die Menschen im Donbass. Viele von ihnen sind auf der Flucht, haben Tote und Verwundete zu beklagen sowie ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Wer krank ist, kann wegen fehlender Arzneimittel nicht behandelt werden - der Blockade der Rebellen sei Dank. Diese Art der Geiselnahme ist Zynismus pur.

Wenn jetzt der UN-Nothilfekoordinator Stephen O‘ Brien diejenigen in die Pflicht zu nehmen versucht, die im Osten der Ukraine Einfluß haben, dürfte das zumindest in Moskau niemanden besonders beeindrucken. Schließlich hat Russland ja bekannter- und erklärtermaßen mit diesem Krieg nichts zu tun. Wenigstens das ist eine Konstante.

25 Sep 2015

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Barbara Oertel

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