taz.de -- Übergangsregierung in der Türkei: Kurdenminister treten zurück

Die erste Beteiligung einer Kurdenpartei an einer türkischen Regierung ist wieder Vergangenheit. Beide HDP-Minister haben ihr Amt niedergelegt.
Bild: Ihm wird eine „Logik des Kriegs“ vorgeworfen: Ministerpräsident Ahmet Davutoglu.

Istanbul afp | Sechs Wochen vor der Parlamentswahl in der Türkei hat die Kurdenpartei HDP ihre Beteiligung an der Regierung in Ankara beendet. Die beiden HDP-Minister der Übergangsregierung traten am Dienstag von ihren Posten zurück.

Europaminister Ali Haydar Konca und Aufbauminister Müslum Dogan warfen der Regierung von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu vor, aus wahltaktischen Gründen die Spannungen zwischen Türken und Kurden im Land anzuheizen.

Konca sprach von einer „höllischen“ Lage besonders in den Städten des Kurdengebiets. Die Regierung habe eine „Logik des Kriegs“ in Gang gesetzt.

Damit endete die erste Regierungsbeteiligung einer Kurdenpartei in der Türkei nach nur 26 Tagen. Laut Medienberichten wird Davutoglu die vakanten Ministerposten mit unabhängigen Persönlichkeiten besetzen, die seiner Regierungspartei AKP nahe stehen.

Hunderte Tote

Davutoglu hatte die beiden HDP-Minister ins Kabinett aufgenommen, weil die Verfassung vor der Parlamentsneuwahl am 1. November eine Allparteienregierung vorsieht. Die beiden anderen Oppositionsparteien, die säkularistische CHP und die rechtsnationale MHP, verzichteten von sich aus auf eine Beteiligung an der Regierung.

Die türkische Regierung geht seit Juli mit verstärktem militärischem Druck gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor, die im Juli mit neuen Anschlägen auf die Sicherheitskräfte begann. Mehrere hundert Menschen fielen seither der Gewalt zum Opfer.

Kritiker werfen Davutoglu und Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, die Spannungen in der Hoffnung anzuheizen, der AKP nationalistische Wähler zuzutreiben. Im Gegenzug kritisieren Davutoglu und Erdogan die HDP als Handlanger der PKK.

22 Sep 2015

TAGS

Parlamentswahl Türkei 2015
Schwerpunkt Türkei
Kurden
Recep Tayyip Erdoğan
Parlamentswahl Türkei 2015
PKK
Hürriyet
PKK

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar EU und Türkei: Europas neuer Türsteher

Bekommt Erdoğan zwei Milliarden Euro, um Flüchtlinge von Europa fernzuhalten? Er wird deutlich mehr wollen als nur ein bisschen Geld.

Kommentar Krieg und Wahl in der Türkei: Erdoğans Fehlkalkulation

Türkeis Präsident will die kurdisch-linke HDP kriminalisieren. Laut neuen Umfragen kann Erdogan mit seiner Strategie durchaus scheitern.

Anti-Terror-Kundgebung in Istanbul: Zehntausende protestieren gegen PKK

Sie sollte ein Zeichen gegen den Terror der kurdischen Arbeiterpartei setzen. Von der AKP wurde die Demo am Sonntag aber vor allem für Wahlkampfzwecke genutzt.

Pressefreiheit in der Türkei: Kritische Medien unerwünscht

Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hat die türkische Zeitung „Hürriyet“ wegen Terrorpropaganda angeklagt. Die Grünen zeigen Solidarität.

PKK im Südosten der Türkei: Versuch einer autonomen Zone

Die Ausgangssperre in Cizre wird nach acht Tagen aufgehoben. Einen Tag später gilt sie wieder – auf unbestimmte Zeit.