taz.de -- Kommentar Erdoğan und die Flüchtlinge: Der neue beste Freund in Brüssel

Die EU will, dass Erdoğan syrische Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa aufhält. Doch die Zusammenarbeit hat ihren Preis.
Bild: Erdoğan mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Best friends forever?

Nach Alexis Tsipras hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker jetzt einen neuen „Best Friend“ aus dem Südosten des Kontinents. Mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğanhat die EU mit einem Politiker ihren Frieden geschlossen, der für alles das steht, was Europa angeblich verurteilt. Undemokratisches, autoritatives polizeistaatliches Verhalten, Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Korruption und ein islamisches Sendungsbewusstsein, das phasenweise an Islamismus grenzt.

Schwamm drüber,Erdoğanwird jetzt gebraucht. Nur mit ihm, so glaubt die EU-Kommission, nicht zuletzt angetrieben durch die Bundeskanzlerin, sind syrische Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa noch aufzuhalten. Je mehr Horrorzahlen über erwartete Flüchtlinge verbreitet werden, umso sympathischer wird Erdoğan.

Erdoğanhat es in der Hand, das türkische Militär anzuweisen, syrische, irakische und afghanische Flüchtlinge, die nach Griechenland und Bulgarien wollen, zu stoppen, die EU-Grenzschutzbehörde Frontex steht als Kooperationspartner in den Startlöchern. Doch die Zusammenarbeit hat ihren Preis. Dabei sind die Milliarden, die von Brüssel nach Ankara fließen sollen, noch das wenigste.

Erdoğanwill, dass die EU seine kläglich gescheiterte Syrienpolitik unterstützt und die kurdische PKK und die mit ihr verbündete syrisch-kurdische PYD auf die gleiche Stufe stellt wie den IS. Es gebe keine guten oder schlechten Terroristen, verkündete er in Brüssel. Alle müssten gleichermaßen bekämpft werden. Anders gesagt: Die EU soll seine fatale Politik gegen die Kurden unterstützen und die Einrichtung einer sicheren Zone in Nordsyrien, aus der heraus die von Erdoğanhofierten Dschihadisten die Kurden bekämpfen können, politisch und militärisch absichern.

Kurzfristig mag das dazu führen, dass weniger Flüchtlinge nach Europa gelangen, langfristig ist diese Politik ein Desaster.

6 Oct 2015

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Jürgen Gottschlich

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