taz.de -- Kommentar Vorratsdatenspeicherung: Sinnlose Überwachung
Mobilfunkanbieter speichern zwar schon immense Datenmengen, die Regierung will aber noch mehr. Die Kriminalität wird dadurch nicht sinken.
Es ist eine von diesen Datensammlungen, die ganz unauffällig angelegt werden. Bei der sich die Betroffenen meist gar nicht dessen bewusst sind, dass derart detaillierte persönliche Informationen von ihnen gespeichert werden. Und das über einen beträchtlichen Zeitraum.
Die Dimension der Datenmengen, auf der die Mobilfunkunternehmen sitzen, ist tatsächlich immens. Wer an wen aus welcher Funkzelle zu welchem Zeitpunkt angerufen oder eine Nachricht geschickt hat, dazu mitunter noch Daten wie die eindeutige Kennung von Gerät oder SIM-Karte, das alles multipliziert mit der Zahl Verbindungen pro Tag und das Ganze dann mal 183. Denn die Unternehmen speichern die Daten bis zu einem halben Jahr. Zu Abrechnungszwecken, zur Störungsbeseitigung oder – einfach mal so. Klar, warum sollte man etwas löschen, das man auch behalten kann? Zumal ohne Konsequenzen?
Denn auch wenn unter anderem der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar diese Praxis schon vor Jahren für rechtswidrig hielt – es ist wie so oft, wenn es um Verbraucherrechte geht: Solange es nicht merkbare Bußgelder oder Strafen gibt, bewegt sich bei den Unternehmen nichts. Und weil diese bei Datenschutzverstößen – wenn überhaupt – eher übersichtlich ausfallen, bleibt eben alles einfach mal gespeichert.
Schlimmer sind nur die Pläne der Bundesregierung: Deren Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung geht – auch wenn er kürzere Speicherfristen vorsieht – tatsächlich noch über die derzeitige Praxis hinaus. Auch Daten über netzinterne und über Flatrate abgerechnete Kommunikation, die derzeit teilweise noch zeitnah gelöscht werden, würden dann verpflichtend gespeichert werden müssen.
Eine verhältnismäßig kleine Lücke im Überwachungspuzzle. Und eine, die das offizielle Hauptargument für eine Vorratsdatenspeicherung – eine höhere Aufklärungsquote bei Verbrechen – noch unplausibler macht.
4 Oct 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Ein neuer Gesetzentwurf der bayerischen Landesregierung will dem Verfassungsschutz den Zugriff auf Daten erlauben.
CDU-Innensenator spricht sich für Videoüberwachung am Alexanderplatz aus. Die SPD von Mitte fordert das schon seit langem.
Die Vorratsdatenspeicherung kommt. Die taz hat die Debatte über Monate kommentiert. Eine Chronologie.
CDU/CSU und SPD führen die Massenspeicherung der Telefon- und Internetdaten wieder ein. Die Opposition hält das Vorhaben für rechtsstaatswidrig.
Die Bundesregierung versucht wieder, die Vorratsdatenspeicherung einzuführen. Warum müssen Gerichte für Datenschutz sorgen?
Die Bundesregierung plant ein neues Telemediengesetz: endlich freies WLan für alle? Pustekuchen. So ziemlich das Gegenteil wird eintreffen.
Kunden zahlen die anlasslose Speicherung der Verbindungsdaten selbst. Die Kosten werden auch aus Steuermitteln gedeckt.
Die Koalition wird es nerven: Brüssel will, dass Daten nicht nur im Inland gespeichert werden. Dies verstoße gegen die Dienstleistungsfreiheit.