taz.de -- Fluchtweg nach Deutschland: Tausende unterwegs
Außenminister Steinmeier erwartet am Wochenende die Ankunft Zehntausender Flüchtlinge in Deutschland. Auch andere Länder vermelden hohe Zahlen.
Berlin dpa/rtr/afp/taz | Die Bundesregierung rechnet an diesem Wochenende mit der Ankunft von Zehntausenden weiteren Flüchtlingen in Deutschland. „Ich habe gerade die letzten dramatischen Zahlen bekommen: Wir erwarten allein für die nächsten zwei Tag circa 40.000 Flüchtlinge aus den südlichen und südöstlichen Nachbarländern“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Freitag in Prag. Das wären rund doppelt so viele wie am vergangenen Wochenende. In Prag warb er vergeblich bei seinen mittelosteuropäischen Kollegen für ein festes Quotensystem zur gerechteren Verteilung der Menschen in der EU.
Die Stadt München stellt sich auf die Prognosen ein. Bis Mitternacht wurden 10.000 Menschen in der Landeshauptstadt erwartet, wie die Regierung von Oberbayern mitteilte. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) forderte die anderen Bundesländer dringend zur Unterstützung auf. Die Stadt sei mit seinen Kapazitäten am Limit.
Die meisten Länder auf der sogenannten Balkanroute, die von Griechenland und Mazedonien über Ungarn und Österreich nach Norden führt, [1][hatten zuvor steigende Flüchtlingszahlen gemeldet]. So kamen in Mazedonien innerhalb von 24 Stunden bis Donnerstagabend etwa 7.600 Flüchtende an. Sie waren über die griechische Grenze gekommen und wollen zumeist ihren Weg in die Europäische Union fortsetzen.
An der Grenze zwischen Österreich und Ungarn wurden Donnerstag rund 8.000 Menschen gezählt. Die Polizei sperrte eine Autobahn, auf der Flüchtlinge Richtung Wien liefen.
Erleichterung wurde hingegen von der seit Wochen überfüllten griechischen Insel Lesbos gemeldet: Wie die Behörden am Freitag mitteilten, sind in den vergangenen vier Tagen gut 29.000 Menschen zum Festland gebracht worden. Es werden täglich mehr Menschen aus Lesbos abgeholt, als aus der Türkei auf der Insel ankommen. Laut Augenzeugen ist der Hafen der Insel nicht mehr überfüllt.
Am Montag kommen die EU-Innenminister in Brüssel zu einem Sondertreffen zusammen, um über die von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgeschlagene Umverteilung der Flüchtlinge zu beraten. Gibt es keine Einigung, will EU-Ratspräsident Donald Tusk noch im September einen Sondergipfel zur Flüchtlingskrise einberufen.
11 Sep 2015
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