taz.de -- Kommentar Wahre Finnen: Neonazis wittern Morgenluft

Mit der Regierungsbeteiligung der Wahren Finnen wird Rechtsradikalismus hoffähig. Der Koalitionspartner tut so, als ginge ihn das nichts an.
Bild: Timo Soini präsentiert ein wahres, ein finnisches Lächeln.

Gerade erst zwei Monate regieren in Helsinki die „Wahren Finnen“ mit. Und schon haben sie tiefe Spuren in der Politik hinterlassen. Angesichts ihrer Drohung, die frische Koalition gleich wieder platzen zu lassen, machte sich die finnische Regierung ja bekanntlich zum Handlanger für Schäubles Grexit-Strategie und reihte sich beim Kampf gegen ein solidarisches und demokratisches Europa in die vorderste Reihe ein.

Von einer Partei, deren Vorsitzender Timo Soini sein Verhältnis zu EU und Euro einmal mit „Ich will raus“ zusammenfasste, konnte man allerdings nichts anderes erwarten. Und weil die rechtsliberalen und konservativen Koalitionspartner selbst eine euroskeptische Schlagseite haben, hatte dieser Kurs ihnen auch keine großen Kopfschmerzen bereitet.

Anders sieht es jetzt aus beim Umgang mit dem Aufruf eines „Wahren Finnen“-Abgeordneten zum „Endkampf“ gegen den Multikulturalismus. Nun ernten die Mitte-rechts-Parteien die Früchte ihrer Koalition mit einem Partner, der keine Grenzen ziehen will, was menschenverachtende und fremdenfeindliche Hetze angeht.

Biedermann Soini denkt offenbar nicht daran, die Brandstifter in den eigenen Reihen in die Schranken zu weisen. Selbst bei Wiederholungstätern, die mit hasserfüllter Gewaltrhetorik spielen, ist er zu mehr als windelweicher verbaler Distanzierung nicht bereit. Was aber noch erschreckender ist: Auch Soinis Regierungspartner konnten sich bislang zu keiner handfesten Reaktion aufraffen.

Ministerpräsident Juha Sipilä und Finanzminister Alexander Stubb müssen sich fragen lassen, wie lange sie dazu beitragen wollen, dass Rassismus und Neofaschismus durch die Regierungszusammenarbeit legitimiert werden. Die Tausenden, die gegen diese Entwicklung auf die Straße gehen, haben den Zusammenhang verstanden. Aber die Neonazis, die am Samstag in einem Einkaufszentrum in Jyväskyla zuschlugen, scheinen weiterhin Morgenluft zu wittern.

3 Aug 2015

AUTOREN

Reinhard Wolff

TAGS

Finnland
Wahre Finnen
Schwerpunkt Neonazis
Eurokrise
Finnland
Finnland
Finnland
Finnland
Wahre Finnen
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Finnland
Parlamentswahl

ARTIKEL ZUM THEMA

Ein neuer Chef bei den Wahren Finnen: „Der größte Rassist des Landes“

Der neue Parteichef will die Wahren Finnen wieder auf einen Kurs rechtsaußen bringen. Er fordert einen „Fixit“ und klare Kante gegen Ausländer.

Kommunalwahlen in Finnland: Schlappe für Rechtspopulisten

Die Grünen konnten ihr Ergebnis um fast 50 Prozent steigern. Die „Wahren Finnen“ dagegen halbierten sich gegenüber der Parlamentswahl 2015.

Finnische Bürgerwehr gegen Rassisten: Die freundlichen Schwestern

Die „Kyllikin siskot“ verteilen Umarmungen gegen das Gefühl von Unsicherheit. Sie wollen ein Gegengewicht zu rassistischen Bürgerwehren schaffen.

Finnischer Außenminister in Berlin: Der oberste Rechtspopulist

Timo Soini, Chef der „Wahren Finnen“, ist international isoliert. Das macht seinen Job als Außenminister nicht gerade einfach.

Rechtspopulismus in finnischer Regierung: Wo das Wahre sehr unschön ist

Bei der Partei der „Wahren Finnen“ haben Rassisten und Neonazis freie Bahn. In der Bevölkerung hat darüber eine breite Debatte begonnen.

Verhandlungen über Athens Reformpläne: Ein „Grexit“ für die „Wahren Finnen“

Griechenland kritisiert, einige EU-Partner würden das Scheitern der Verhandlungen aktiv betreiben. Laut Medien spielt Finnland derzeit den schärfsten Hardliner.

Regierungsbildung in Finnland: „Wahre Finnen“ jetzt am Ruder

Der Rechtspopulist Timo Soini bestimmt die künftige Außen- und Europapolitik. Regierungschef wird der Konservative Juha Sipilä.

Liberale gewinnen Wahl in Finnland: Machtwechsel in Helsinki

Der konservative Ministerpräsident Alex Stubb muss gehen, für ihn kommt der Liberale Juha Sipilä. Eine Regierung mit der rechtspopulistischen Partei der Finnen ist möglich.