taz.de -- Griechenland vor dem Referendum: Varoufakis tritt bei „Ja“ zurück
Sollten die Griechen für die Spar- und Reformauflagen stimmen, tritt Finanzminister Gianis Varoufakis zurück. Bis dahin wirbt er für einen Schuldenschnitt.
Athen ap/dpa | Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis will sein Amt niederlegen, falls die Mehrheit der Griechen bei dem Referendum am Sonntag mit „Ja“ stimmt. Er werde zudem keinen Pakt mit den internationalen Geldgebern unterzeichnen, der nicht auch die Umschuldung des Landes vorsieht, sagte Varoufakis am Donnerstag dem Sender Bloomberg TV. Der französische Finanzminister Michel Sapin betonte, Europa halte weiter daran fest, eine „Katastrophe“ zu vermeiden und das Land in der Eurozone zu halten.
Spaniens Finanzminister Luis de Guindos meinte, die Tür für Verhandlungen stünden unabhängig vom Ausgang des Referendums offen. Ein „Ja“ des Volkes käme einem Misstrauensvotum für die griechische Regierung um Ministerpräsident Alexis Tsipras gleich, sagte De Guindos dem Radiosender Cadena Ser.
Trotz der Ungewissheit über den Ausgang des von der griechischen Regierung für Sonntag angesetzten Referendums öffneten die europäischen Börsen am Donnerstag ohne größere Kursschwankungen. Schweden, das nicht zur Eurogruppe gehört, senkte seinen Leitzins auf ein historisches Tief von –0,35 Prozent. Die schwedische Notenbank teilte mit, die Konsequenzen, die die Lage in Griechenland für die Eurozone und für Schweden haben könnte, seien schwer abzuschätzen.
Am Sonntag sollen die Griechen darüber entscheiden, ob das Land das zuletzt von den Geldgebern gemachte Angebot über neue Milliardenhilfen gegen Spar- und Reformauflagen annimmt. Allerdings gilt dieses Angebot im Grunde nicht mehr, weil das Rettungsprogramm von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank am 30. Juni auslief.
Varoufakis erwartet eigenen Worten zufolge jedoch ein „Nein“ beim Referendum. Auf die Frage, ob er am Montag nach einem „Ja“ noch Finanzminister sein werde, sagte er dem Sender: „Ich werde es nicht sein.“
180 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
Bereits im März hatte die schwedische Notenbank den Zinssatz auf das negative Terrain von –0,25 gebracht, um unter anderem der Gefahr einer Deflation vorzubeugen. Jetzt kappte sie die Rate um weitere 0,1 Prozentpunkte.
Die Ratingagentur Standard & Poor‘s (S&P) teilte mit, ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro hätte für den Rest der Eurzone nur einen verhaltenen Effekt. Griechenlands Wirtschaft werde aber rund 20 Prozent ihrer Leistung verlieren, die sie ansonsten nach vier Jahren erreicht hätte.
Die griechischen Schulden entsprechen etwa 180 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Beobachter halten es für unausweichlich, dass ein weiterer Schuldenschnitt kommen muss. Dies könnte über längere Laufzeiten für die Kredite und niedrigere Zinsen oder eine Reduzierung der Schuldensumme erfolgen. Einen ersten Schuldenschnitt gab es bereits 2012, als private Anleger große Abschreibungen auf ihre investierten Gelder akzeptierten.
Sapin und auch Präsident François Hollande hatten bis Mittwoch auf eine schnelle Einigung mit der griechischen Regierung noch vor dem Referendum am Sonntag gedrängt. Doch nach der Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister vom Mittwoch räumte Sapin ein, dass es dafür keine Basis gebe. Damit schwenkte Frankreichs Regierung auf die Linie ein, die Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits vorher verkündet hatte.
Knappes Ergebnis erwartet
Derweil hat der griechische Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos hat seinen für kommende Woche geplanten Antrittsbesuch in Deutschland abgesagt. Das teilte das Bundespräsidialamt am Donnerstag mit, ohne Gründe für die Absage zu nennen. Pavlopoulos hätte am Dienstag Bundespräsident Joachim Gauck treffen sollen. Der konservative Juraprofessor und langjährige Politiker war im Februar zum Präsidenten gewählt worden.
Einer neuen Umfrage zufolge zeichnet sich ein knappes Ergebnis bei der Volksabstimmung am Sonntag ab. 47,1 Prozent der Befragten würden demnach am 5. Juli für „Ja“ und damit für eine Zustimmung zu den unlängst von den internationalen Gläubigern des Landes vorgeschlagenen Reformmaßnahmen stimmen.
43,2 Prozent wären dagegen, ergab die Befragung im Auftrag der konservativen Zeitung Eleftheros Typos. Dafür wurden 1.000 Menschen aller Altersgruppen in verschiedenen Teilen des Landes angesprochen.
2 Jul 2015
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