taz.de -- Schuldenkrise in Griechenland: Die Macht der Volksabstimmung

Einer Umfrage zufolge liegen die griechischen Befürworter der Sparauflagen knapp vorne. Alexis Tsipras‘ Rücktrittsoptionen bleiben offen.
Bild: Wie werden sie entscheiden? Wieviel Macht liegt in ihren Händen?

Athen dpa | Bei der entscheidenden Volksabstimmung in Griechenland zeichnet sich einer neuen Umfrage zufolge eine äußerst knappe Entscheidung zwischen beiden Lagern ab. Das ergab eine Befragung des griechischen Meinungsforschungsinstituts ALCO im Auftrag der Boulevardzeitung Ethnos, die am Freitag veröffentlicht wurde. 44,8 Prozent der Befragten würden demnach am kommenden Sonntag für „Ja“ und damit für eine Zustimmung zu den unlängst von den internationalen Gläubigern vorgeschlagenen Reformmaßnahmen stimmen. 43,4 Prozent wären dagegen.

11,8 Prozent der Befragten hatten sich laut der Umfrage noch nicht entschieden. Das Referendum wird weitgehend als eine Abstimmung über die Frage „Ja“ oder „Nein“ zum Euro angesehen. 74 Prozent gaben an, sie würden wollen, dass Griechenland die Währung behält. 15 Prozent plädierten für eine nationale Währung, 11 Prozent waren unentschlossen.

Für die Erhebung befragte das Institut im ganzen Land 1000 Menschen über 18 Jahren.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat sich am Donnerstag nicht eindeutig auf einen Rücktritt im Falle eines Ja der Griechen zu den Gläubiger-Forderungen in dem Referendum am Sonntag festgelegt. Auf die Frage, ob er in diesem Fall seinen Hut nehme, sagte Tsipras in einem Interview mit dem Fernsehsender ANT1 lediglich, die „Entscheidung des griechischen Volks wird respektiert, ich werde das von der Verfassung vorgesehene Verfahren in die Wege leiten“. Außerdem werde er seine Partei, die linksgerichtete Syriza, konsultieren.

Auf die Frage nach möglichen vorgezogenen Neuwahlen entgegnete Tsipras, es solle nicht vorgegriffen werden. „Das Land hat eine Verfassung, die angemessene Verfahren vorsieht, ich werde der institutionelle Garant der Verfassung bleiben“, fügte der Regierungschef hinzu. Den Medien warf Tsipras eine Kampagne vor, die die Argumente des Nein-Lagers an den Rand dränge. Ein Nein zu den Gläubiger-Forderungen bedeute „kein Nein zu Europa“, sondern eine „realistische Lösung“ mit weniger harten Sparauflagen und einer Restrukturierung der griechischen Schulden.

Neuwahlen sind möglich

Der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis hatte zuvor sein politisches Schicksal klar mit dem Ausgang des Referendums über die Gläubigerforderungen verknüpft. Bei einem Sieg des Ja-Lagers werde er „nicht mehr“ Finanzminister sein, sagte Varoufakis am Donnerstag dem Sender Bloomberg TV.

Zu Wochenbeginn hatte auch Tsipras seinen Rücktritt in diesem Falle nahegelegt. Er sei kein Ministerpräsident, der unter allen Umständen im Amt bleibe, antwortete Tsipras am Montagabend in einem Fernsehinterview auf die Frage nach seiner Reaktion im Fall eines Ja der Griechen am Sonntag. Tsipras hatte das Referendum über die Vorschläge der Gläubiger zur Beilegung der akuten griechischen Schuldenkrise am Samstag vergangener Woche überraschend angekündigt. Er wirbt bei der Bevölkerung, mit „Nein“ zu stimmen, um eine für Griechenland günstigere Vereinbarung mit den Gläubigern aushandeln zu können.

Sollten die Griechen aber mehrheitlich mit Ja stimmen und die Regierung daraufhin zurücktreten, sieht die griechische Verfassung die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen vor. Sie könnten frühestens nach einem Monat abgehalten werden. Als Alternative könnte unter Tsipras oder einem anderen Politiker eine Regierung der nationalen Einheit gebildet werden.

3 Jul 2015

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