taz.de -- Eurogruppe und die Griechenland-Krise: Rettungsprogramm am Ende

Nach der Ankündigung einer Volksabstimmung sieht die Eurogruppe keine Verhandlungsgrundlage mehr. Sie will das Rettungsprogramm nicht verlängern.
Bild: Schnell noch mal Geld holen: Thessaloniki am Samstag.

Brüssel dpa/afp/rtr | Die Eurogruppe will das Rettungsprogramm für Griechenland nicht mehr verlängern. Damit würden noch bereitstehende Milliardenhilfen für das pleitebedrohte Land am 30. Juni verfallen, berichteten EU-Diplomaten am Samstag in Brüssel am Rande von Krisenberatungen der Eurogruppe. Den Angaben zufolge sollen die Verhandlungen der Euro-Finanzminister ohne Griechenland fortgesetzt werden. Dabei dürfte es auch um alternative Pläne gehen.

Zuvor hatte Athen ein Referendum in Griechenland über das Spar- und Reformprogramm der Geldgeber angekündigt. Das war in der Euro-Gruppe auf scharfe Kritik gestoßen.

Damit droht ein endgültiges Scheitern der seit fünf Monaten andauernden Verhandlungen zwischen den Geldgebern und der Athener Links-Rechts-Regierung über ein Reform- und Sparpaket.

Ohne eine Einigung und Zustimmung durch Parlamente in Griechenland und anderen Euro-Ländern bis zum 30. Juni verfallen die bisher blockierten Hilfskredite. Das sind 7,2 Milliarden Euro der Europäer sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Zudem könnten weitere knapp 11 Milliarden Euro nicht genutzt werden, die zur Stabilisierung der griechischen Banken reserviert sind. Am 30. Juni muss Athen trotz leerer Kassen aber einen Kredit von 1,54 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen.

Vieles hängt von EZB ab

Vieles hängt jetzt auch von der Europäischen Zentralbank (EZB) ab. Diese muss rasch entscheiden, ob sie weitere Nothilfen für griechische Banken gewährt. Dreht sie den Geldhahn endgültig zu, spitzt sich die Lage weiter zu.

Am Vormittag äußerte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits in eine entsprechende Richtung. Es gebe keine Grundlage mehr für weitere Verhandlungen mit Athen. Die griechische Regierung habe einseitig die Verhandlungen beendet, sagte Schäuble.

„Die Verhandlungen sind ja offenbar für beendet erklärt worden durch Herrn Tsipras, wenn ich ihn richtig verstanden habe“, sagte Schäuble. Es gebe daher keine Grundlage für weitere Verhandlungen. Keiner der Euro-Kollegen sehe irgendeine Möglichkeit, was jetzt noch gemacht werden könne: „Wir müssen natürlich jetzt schauen, wie die Lage ist.“

Auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hatte sich enttäuscht geszeigt. „Ich bin negativ überrascht.“ Die griechische Entscheidung für ein Referendum habe „die Tür für weitere Gespräche“ mit Athen geschlossen. Dies sei eine sehr traurige Situation für Griechenland. Athen habe den letzten Vorschlag der Geldgeber-Institutionen abgelehnt.

Über Alternativen sprechen

Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling hatte von einer äußerst dramatischen und schwierigen Situation gesprochen: „Ich glaube, es ist das passiert, was eigentlich nie passieren hätte sollen.“ Durch das Verhalten der griechischen Regierung sei die Zeit verloren gegangen, um Verhandlungen zu führen. „Griechenland hat den Verhandlungstisch jetzt verlassen.“ Eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms über den 30. Juni hinaus schloss Schelling schon am Vormittag aus. Nun müsse auch über Alternativen gesprochen werden.

Nach Angaben des finnischen Finanzministers Alexander Stubb ist die Mehrheit der Euro-Gruppe gegen eine Verlängerung. „Plan B wird nun zu Plan A“, sagte Stubb. Er sprach von einem schlechten Tag für die Griechen. Die Tür für weitere Gespräche sei nun geschlossen. Der belgische Ressortchef Johan Van Overtveldt nannte die Referendumspläne „bizarr“. Es sei ein wenig widersprüchlich, wenn die Athener Regierung ankündige, das Volk zu befragen und zugleich betone, dass sie selbst das Programm ablehne.

Schlangen an Geldautomaten

Das Parlament in Athen debattiert unbeeindruckt vom möglichen Scheitern der Verhandlungen mit seinen Geldgebern weiter über ein Referendum zu den geforderten Sparvorschlägen. Die Abgeordneten diskutierten am Samstagnachmittag unter anderem darüber, ob das von Regierungschef Alexis Tsipras für Sonntag kommender Woche angekündigte Referendum über das von den Geldgebern geforderte Sparprogramm überhaupt verfassungskonform sei.

Am Samstag bildeten sich erneut vor den Geldautomaten in Griechenland lange Schlangen. Nach übereinstimmenden Berichten griechischer Medien waren auch die Geldautomaten beim Parlament in Athen zeitweise leer.

27 Jun 2015

TAGS

Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland
Eurogruppe
Wolfgang Schäuble
Schuldenkrise
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland-Hilfe
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland
Griechenland-Hilfe
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland
Grexit

ARTIKEL ZUM THEMA

Zu Besuch bei Griechenlands Führung: Wie tickt Syriza?

Egal was kommt: Die Jungmännertruppe des griechischen Premiers schreibt Geschichte – ein waghalsiges Projekt.

EZB und Griechenland: Das schlimmste Szenario ist vom Tisch

Die EZB hält die umstrittenen Notkredite für Griechenland vorerst aufrecht. Damit kommen die Banken im Land weiter an Geld.

Krise zwischen der EU und Griechenland: Offener Bruch

Brüssel greift Athen an, Athen greift Brüssel an. Wie geht es weiter? Die Volksbefragung in Griechenland dürfte keine große Rolle spielen.

Parlament in Griechenland: Die Volksbefragung kommt

Die Gespräche mit der Eurogruppe sind am Ende, das Parlament in Athen stimmte dennoch für ein Referendum über das Sparprogramm. Die EZB tagt heute.

Hilfsprogramm für Athen nicht verlängert: Pingpong mit der Schuldfrage

Der griechische Finanzminister sieht das Ansehen der Eurogruppe gefährdet. Die berät ohne Varoufakis in Brüssel weiter und sieht in Griechenland den Schuldigen.

Die Streitfrage: „Damit wäre den Griechen geholfen“

Ist es jetzt für uns alle Pflicht, Urlaub in Griechenland zu machen um, den Menschen und der Wirtschaft zu helfen?

Kommentar Referendum Griechenland: Konsequent!

Brüssels Angebot an Athen ist nicht großzügig, es ist ein einseitiges Spardiktat. Die Griechen stimmen darüber ab, ob sie für den Euro ihre Demokratie opfern.

Schuldenkrise Griechenland: Tsipras will Referendum über Sparkurs

Athen will die Bürger über die Reformpläne abstimmen lassen. Das wirbelt den Zeitplan erneut durcheinander. Am Samstag treffen sich die Euro-Finanzminister.

Kommentar IWF und Griechenland: Verabschiedete Demokratie

Der Internationale Währungsfonds muss dringend raus aus Europa. Er stellt Ultimaten, die Griechenland wirtschaftlich ruinieren werden.

Finanzkrise in Griechenland: Gläubiger-Vorschlag wird abgelehnt

Die Regierung in Athen lehnt das Angebot der Institutionen als unzureichend ab. Falls kein Kompromiss gelingt, kommt „Plan B“ auf den Tisch.