taz.de -- Flüchtlingspolitik in Ungarn: Orbán macht dicht

Die Ankündigung Ungarns, einen Zaun an der Grenze zu Serbien zu errichten, löst in Belgrad Empörung aus. Ein bilateraler Gipfel ist geplant.
Bild: Afghanische Flüchtlinge nach dem illegalen Übertritt der serbisch-ungarischen Grenze.

SPLIT taz | Entsetzen und Zustimmung hat die Nachricht in Europa ausgelöst, Ungarn wolle einen vier Meter hohen Drahtzaun an der 176 Kilometer langen Grenze zu Serbien installieren, um Flüchtlinge aus anderen Teilen der Welt daran zu hindern, nach Ungarn und Westeuropa zu gelangen. Bejubelt wurde die Ankündigung bei der neuen rechten Fraktion im EU-Parlament, in der französische Le-Pen-Anhänger mit gleichgesinnten Parteien aus ganz Europa eine gemeinsame Politik formulieren wollen.

„Ausgerechnet Ungarn“, meint dagegen die regierungskritische Zeitung Nepszabadsag. Und erinnert daran, dass es die Ungarn waren, die entscheidend zur Zerstörung des Eisernen Vorhangs beigetragen hatten. „Damals hatten wir ihn als Erste abgerissen, jetzt ziehen wir den neuen hoch. (…) Der Vorhang von vor 26 Jahren schnitt uns vom Westen ab, mit dem neuen werden wir andere vom Westen abschneiden.“

Budapests Entscheidung scheint jedoch unumstößlich zu sein. „Die Regierung hat Innenminister Sandor Pinter angewiesen, bis zum kommenden Mittwoch die Abriegelung der ungarisch-serbischen Grenze vorzubereiten“, erklärte Außenminister Peter Szijjarto.

Premier Viktor Orbán hatte die Partner in der EU schon seit Monaten gewarnt. Ungarn könne Flüchtlinge, die über die Grenze von Serbien ins Land kämen, nicht aufnehmen. Arbeitsplätze für Ungarn gingen vor, erklärte er, nur 10 Prozent der Ankömmlinge seien echte Flüchtlinge, die anderen 90 Prozent lediglich Wirtschaftsflüchtlinge. Und die müssten mit allen Mitteln daran gehindert werden, ins Land zu kommen.

Zwar waren die meisten der 43.000 Flüchtlinge, die 2014 nach Ungarn kamen, gar nicht daran interessiert, zu bleiben, 80 Prozent fuhren weiter Richtung Westen. Ziel der Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Afghanistan und Kosovo ist vor allem Deutschland oder sind die skandinavischen Länder. Doch die Zahlen der Asylbewerber steigen, immerhin haben bis zum jetzigen Zeitpunkt insgesamt 45.000 Flüchtlinge um Asyl in Ungarn nachgesucht.

Durchgangsland Serbien

Mit der Ankündigung, einen Zaun an der Grenze zu Serbien zu bauen, hat Orbán sich nun auch mit den südlichen Nachbarn angelegt. Die Flüchtlinge sollten auf serbischem Gebiet angehalten werden, erklärte er. Serbien sieht sich nur als Durchgangsland und ist als Nicht-Schengenland und Nichtmitglied der EU gar nicht verpflichtet, Maßnamen gegen die Flüchtenden zu ergreifen. „Ich bin erstaunt und schockiert. Wir werden über die Entscheidung mit unseren ungarischen Kollegen sprechen“, sagte Ministerpräsident Aleksandar Vucic. „Die Lösung ist nicht, Mauern zu errichten. Serbien kann nicht für die Situation verantwortlich gemacht werden.“

Vucic verwies darauf, dass die Flüchtlinge aus den EU-Ländern Griechenland und Bulgarien kämen. Solle Serbien jetzt etwa Mauern an der Grenze zu Bulgarien errichten, fragte er rhetorisch. In den nächsten Tagen soll es einen serbisch-ungarischen Gipfel zur Migrantenfrage geben.

18 Jun 2015

AUTOREN

Erich Rathfelder

TAGS

Ungarn
Flüchtlinge
Aleksandar Vucic
Flüchtlinge
Ungarn
Ungarn
Flüchtlinge
Schwerpunkt Flucht
Serbien

ARTIKEL ZUM THEMA

Flüchtlinge auf dem Westbalkan: Von Behörden misshandelt

In Mazedonien, Serbien und Ungarn werden Flüchtlinge Opfer behördlicher Willkür, sagt Amnesty International. Merkel müsse das auf ihrer Balkanreise thematisieren.

Asylrecht in Ungarn: Zaun an der Grenze zu Serbien

Das Parlament hat der Verschärfung des Asylrechts und der Errichtung eines Grenzzauns zugestimmt. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisiert das.

Kommentar Asyldebatten Mitteleuropa: Das Ressentiment regiert

In einigen Ländern Mitteleuropas werden „Flüchtlinge“ gerne mal mit „Terroristen“ gleichgesetzt. Der Diskurs wird von Islamfeindlichkeit dominiert.

Dublin-III-Stopp zurückgenommen: Ungarn zieht den Schwanz ein

Nach Kritik aus Brüssel: Die Ankündigung Ungarns, das EU-Flüchtlingsabkommen auszusetzen, wurde nach nicht mal 24 Stunden zurückgenommen.

UN berichtet von Rekordanstieg: Acht Millionen neue Flüchtlinge

Seit dem Zweiten Weltkrieg haben nicht mehr so viele Menschen innerhalb eines Jahres die Flucht ergriffen. Insgesamt sind es 60 Millionen.

Ungarn schließt Grenze zu Serbien: Vier Meter hoher Drahtzaun

Ungarn reagiert auf die steigende Zahl von Flüchtlingen. Ein 175 Kilometer langer und vier Meter hoher Zaun soll Zuwanderung eindämmen.