taz.de -- Kämpfe in Libyen: Ministerpräsident überlebt Attentat
Seit Monaten versinkt Libyen im Chaos, Kämpfe sind an der Tagesordnung und das Land ist durch zwei Regierungen geteilt.
BENGASI ap | Attentäter haben nach Angaben der international anerkannten libyschen Regierung versucht, Ministerpräsident Abdullah al-Thinni zu ermorden. Dies teilte Regierungssprecher Arisch Said mit. Der Konvoi des Ministerpräsidenten sei auf dem Weg zum Flughafen der Stadt Tobruk angegriffen worden. Ein Leibwächter sei leicht verletzt worden, Tote gebe es nicht. Die Angreifer konnten fliehen.
Vor der Attacke hätten bewaffnete Männer bereits versucht, das Parlament in Tobruk zu stürmen, sagte Said. Sie hätten in die Luft geschossen, al-Thinnis Rücktritt gefordert und mit dessen Ermordung gedroht. Die Sitzung des Parlaments sei bis kommende Woche vertagt worden.
Die gewaltbereiten Männern würden von „korrupten politischen Financiers“ unterstützt, die mächtigen Stammesführern in Tobruk nahestünden, teilte der Sprecher weiter mit. Details zu den Vorwürfen nannte er nicht.
Doch hatte sich vor dem versuchten Attentat ein Führer des in Tobruk einflussreichen Obiedi-Stammes, Fardsch Abu Alchatabia, mit Drohungen gegen al-Thinni zu Wort gemeldet. „Dieser Ministerpräsident muss zurücktreten, wenn er das nicht tut, werde ich ihm den Kopf eintreten“, sagte er.
Regierung und Gegenregierung
Nach Jahren des politischen Chaos ist Libyen faktisch geteilt und hat zwei Regierungen und zwei Parlamente. Die international anerkannte Regierung um al-Thinni hat die Hauptstadt Tripolis verlassen und operiert vom Osten des Landes aus. In Tripolis herrscht eine Gegenregierung, die sich auf die Unterstützung islamistischer Milizen stützt. Im Land sind zudem Extremisten aktiv, darunter Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat. Nach UN-Schätzungen soll der IS über 2000 Kämpfer in Libyen verfügen.
Erst am Dienstag hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wegen Kämpfen in der Stadt Bengasi Alarm geschlagen: Milizen und Armee-Einheiten hätten die Stadt umzingelt und einige Hundert Menschen seien dort gefangen. Darunter seien neben Libyern auch Syrer, Palästinenser sowie Menschen aus Asien und Afrika. Human Rights Watch drängte die libysche Armee wie auch die Aufständischen, die Menschen ohne Bedingungen freizulassen und ihnen Zugang zu dringend benötigter Hilfe zu gewähren.
Der UN-Sondergesandte Bernardino Leon bemüht sich seit Monaten um eine Schlichtung zwischen den rivalisierenden Regierungen und um eine Befriedung des nordafrikanischen Landes. Zuletzt hatte Leon erklärt, er hoffe auf eine Einigung bis Mitte Juni, wenn die muslimische Fastenzeit beginnt.
Ausgangspunkt der Wirren war der Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011. Danach brach die staatliche Ordnung weitgehend zusammen. Europa sieht dies mit Sorge, weil Libyen Operationsbasis für Schlepperbanden ist, die Flüchtlinge auf klapprigen Booten in Richtung Europa schicken.
27 May 2015
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