taz.de -- taz-Serie Hamstertouren mit dem Rad (4): "Spargel bringt Leben ins Dorf"
Berliner suchen die Natur - Brandenburg hat davon reichlich. Die taz fährt mit dem Rad zu den besten Plätzen. Teil 4: Der Spargelhof von Familie Falkenthal.
Schlunkendorf bei Beelitz ist umgeben von Spargelfeldern. Auf den Abdeckfolien reflektiert die Sonne wie auf einem See. Im Innenhof von Familie Falkenthal stehen Tische und Stühle für Gäste bereit. Petra Falkenthal steht im gekachelten Verkaufsraum hinter bunten Spargelkisten.
"In unserer Gegend wurde schon immer Spargel angebaut, aber in der DDR war das nur für den eigenen Bedarf. Da haben sich sechs, sieben Familien zusammengeschlossen, und jeder hatte dann ein paar Reihen auf dem Dorffeld. Dass das jetzt so explodiert ist mit der Anbaufläche, dieses Wirtschaftswunder, das kam erst nach der Wende.
Die LPGen wurden aufgelöst, jeder bekam so ein Stückelchen Land zurück. Man hat sich zurückerinnert an die Spargeltradition, das lag so in der Luft, irgendwas musste man ja auch machen. Mein Mann kam eines Abends und sagte: ,Wir vier', also das waren Männer aus dem Dorf, ,wir vier haben uns unterhalten, wir pflanzen jetzt Spargel an.'
Und dann war das so. Ich hatte damals Arbeit bei einer Krankenkasse. Aber als der Betrieb immer größer wurde, habe ich gekündigt und beim Spargel das Büro gemacht. Das ging ein paar Jahre gut, dann gab es Streit. Vier Gesellschafter, vier Meinungen. 2005 haben wir uns ausgeklinkt. Seitdem existiert unser kleiner Hof. Ich fühle mich wohl, bin nur mir selbst und der Familie Rechenschaft schuldig.
Am meisten Spaß macht mir der Umgang mit den Kunden. Die Hälfte unserer Ernte verkaufen wir ab Hof. Die meisten sind schon seit Jahren Stammkunden, auch viele Berliner sind dabei, die kommen extra rausgefahren. Da gibt es richtige Sammelbestellungen vom ganzen Haus. Die Spargelzeit ist ja sehr arbeitsintensiv, aber ich genieße das. Plötzlich ist Leben im Dorf. Auf der Straße ist was los, Autos fahren hin und her, Besucher gehen spazieren, überall auf den Feldern sieht man Menschen.
Ich stehe um fünf Uhr auf. Um sechs stehen die Händler vor der Tür, um ihre Ware abzuholen. Ab sieben wird am Band der Spargel vom Vorabend sortiert. Der muss über Nacht mit 2 Grad Celsius gekühlt werden, sonst läuft er rosa an. Dann kommt auch schon die erste Lieferung frischer Ware vom Feld. Da arbeiten drei polnische Stecher, die sind von Anfang an dabei. Am besten wächst Spargel bei Temperaturen um 20 Grad. Man will die Ernte ja möglichst früh, deshalb deckt man die Dämme mit schwarzer Folie ab. Wenn es wärmer wird, drehen wir die Folie um. Auf der Rückseite ist sie weiß. Schlimm ist es, wenn so eine Hitzewelle kommt.
Spargel wächst ja so schon einen Zentimeter in der Stunde. Aber bei Hitze explodiert er, da kocht der Spargel förmlich in der Erde. Wir haben in den Dämmen schon Temperaturen von 50 Grad gemessen! Da gehen die Köpfe auf wie bei einem Blumenkohl, und die Stecher kommen nicht mehr hinterher. Die Planen sehen aus, als stünden Zeltstangen darunter. Wir haben jetzt ein paar neue Felder angelegt. Aber es dauert drei Jahre, bis man Spargel voll ernten kann. Nach sechs bis acht Jahren sind die Flächen erschöpft, dann muss etwas anderes drauf. Viele pflanzen Erdbeeren, deshalb gibt es auf den Spargelhöfen meist auch Erdbeeren zu kaufen. Wir sind aber zu klein für eine zweite Frucht und machen mit anderen Landwirten einen Flächentausch. Die bauen dann zum Beispiel Getreide an. Im Vergleich zu den anderen Spargelhöfen sind wir mit viereinhalb Hektar Anbaufläche winzig. Der durchschnittliche Spargelbauer hat um die hundert Hektar.
Wir machen das auch nur im Nebenerwerb, mein Mann hat eine ganz normale Arbeit. Aber mir reicht das, klein und idyllisch. Stück für Stück haben wir uns das aufgebaut. Zuerst gab es nur den Verkauf. Dann fanden die Kunden unseren Hof so schön, und wir haben ein paar Tische hingestellt, unter Sonnenschirmen. Jetzt gibt es ja eine richtige Terrasse, und vor ein paar Jahren hat mein Sohn die alte Scheune ausgebaut, sodass man auch bei kaltem Wetter schön sitzen kann. Am Wochenende gibt es Kaffee und Kuchen, aber ohne Rummel und Musik.
Ich liebe die Ruhe, wenn man die Vögel zwitschern hört. Den Kuchen backe ich selbst. Blechkuchen, das mögen die Leute. Und dazu noch eine Käsetorte."
5 May 2011
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
In Beelitz kann man sich nicht nur am Edelgemüse satt essen. Der Spargel führt auch zu einem der spannendsten Denkmäler Deutschlands.
BerlinerInnen suchen Natur - Brandenburg hat reichlich davon. Die taz fährt per Rad zu den besten Plätzen. Teil 8 (und Schluss): Die Imkerei in Garzau.
BerlinerInnen suchen Natur - Brandenburg lockt mit Landschaft und Leckereien. Die taz fährt mit dem Rad zu den besten Plätzen. Teil 7: Der Fläming Wildhandel in Bardenitz.
BerlinerInnen suchen Natur - Brandenburg lockt mit Landschaft und Leckereien. Die taz fährt mit dem Rad zu den besten Plätzen. Teil 6: die Uckermärker Brauerei von Mark Mangold im Golzow.
Berliner suchen Natur - Brandenburg hat davon reichlich. Die taz fährt mit dem Rad zu den besten Plätzen. Teil 5: Der Pilzhof von Herrn Schulz.
Berliner suchen Natur - Brandenburg lockt mit Landschaft und Leckereien. Die taz führt zu den besten Plätzen. Teil 3: Der Stutenmilchhof in Rohrlack
Géraldine Bajards Thriller "La Lisière - Am Waldrand" verzichtet auf Psychologie und ist reich an Atmosphäre. Man ist gefesselt, ohne zu begreifen.
Berliner suchen Natur - Brandenburg lockt mit Landschaft und Leckereien. Die taz führt zu den besten Plätzen. Teil 2: Frau Angermann in Kremmen im Havelland.
Berliner suchen Natur - Brandenburg lockt mit Landschaft und Leckereien. Die taz führt zu den besten Plätzen. Teil 1: Familie Hüsgen aus Groß Ziescht.