taz.de -- Berlin: TAZ-SERIE HAMSTERTOUREN MIT DEM RAD (7): "Wild ist ein Naturprodukt"

BerlinerInnen suchen Natur - Brandenburg lockt mit Landschaft und Leckereien. Die taz fährt mit dem Rad zu den besten Plätzen. Teil 7: Der Fläming Wildhandel in Bardenitz.
Bild: Ein Wildschwein und Jan Griebsch.

Das Tor zum Hof des Fläming Wildhandels steht fast immer offen. Das liegt zum einen daran, dass Jäger auch an Wochenenden Wild anliefern. Zum anderen wohnen zwei Generationen der Familie Griebsch direkt auf dem Betriebsgelände, einem schön renovierten Backstein-Ensemble im Dorf Bardenitz. Jan Griebsch zeigt den Besuchern den weiß gekachelten Kühlraum. Hier hängen kopfüber mehrere Wildschweine und Rehe.

"Im Schnitt bekommen wir monatlich 600 Stück Wild. Da ist alles dabei, Wildschwein, Reh, Damwild, Rotwild und ab und an ein Mufflon. Wir leben in der glücklichen Situation, dass unsere Wälder viel Wildbret hergeben. Ich verstehe gar nicht, dass es Leute gibt, die Damwild in Gehegen züchten. Das muss zugefüttert werden, möglicherweise tierärztlich behandelt, da ist man von der Mast nicht mehr weit. Ich sehe Wild als Naturprodukt und lege Wert darauf, nur frei lebende Tiere zu verarbeiten.

Meist hole ich die Stücke aus den Kühlzellen, die die Förstereien eingerichtet haben. Da habe ich eine feste Tour. Montags bin ich im Rathenower Raum, dienstags im Fläming, mittwochs in der Dübener Heide bis Dessau.

Gejagt wird ganzjährig, aber Hauptsaison ist im Herbst und Winter. An den Wochenenden im November finden die großen Gesellschaftsjagden statt. Dann klingelt nachmittags das Telefon und ich erfahre, wie viel Wild angefallen ist. Wenn ich am Sammelplatz ankomme, ist die Strecke oft schon gelegt. Feuer brennen, die Jäger sind müde, die Hunde frieren und wollen auch nach Hause. Beim Aufkauf muss man natürlich ein gewisses Feingefühl an den Tag legen. Zusammen mit den Jägern begutachte ich die Stücke vor Ort. Ist das Fleisch beschädigt, muss ich Abzüge machen. Erwünscht ist der waidgerechte Schuss, ein Blattschuss, der die lebenswichtigen Organe trifft. Das Tier ist sofort tot, die wichtigsten Stücke bleiben unverletzt.

Auf dem Hof wird das Wild gewogen und in die Kühlzelle geschoben. Dort hängt es für 5 bis 7 Tage ab, das gibt dem Fleisch Reife und Zartheit. Dann wird es aus dem Fell geschlagen, der Tierarzt untersucht auf Trichinen oder Verschmutzungen. Dem Wild wurden ja bereits im Wald vom Jäger die Organe entnommen, da dürfen keine Nadeln oder Erde in den Bauchraum gelangt sein. Wir richten das Fleisch dann küchenfertig her. Wir entfernen die Häute, schneiden das Fett weg, zerlegen es, bis man dann etwa ein kompaktes Keulenstück erhält. Von einem Wildschwein bleibt am Ende eine Fleischausbeute von 50 Prozent. Der Rest ist Fell, Schwarte oder Knochen. Bei Reh und Hirsch liegt der Fleischanteil bei 60 bis 70 Prozent.

Dass das Produkt gefragt ist, darum muss man sich immer wieder bemühen. Wir suchen unsere Daseinsberechtigung in der Qualität und im Service. Wenn am Sonnabend ein Koch anruft, bei ihm bricht die Welt zusammen, er hat noch zwei Veranstaltungen reinbekommen, dann setzt sich jemand aus dem Familienbetrieb in Bewegung und liefert. Von der Stückzahl her sind wir auch in der Lage, den Großhandel zu beliefern. Die arbeiten just in time. Das heißt, ich muss immer eine bestimmte Anzahl von Keulen, Rücken oder Gulaschpaketen verfügbar haben. Vormittags kommt die Bestellung, nachmittags hat der Händler die Produkte im Kühlhaus. Das funktioniert am besten in einem Familienbetrieb.

Mein Vater war früher Jäger. Nach der Wende fing er dann an, sich mit der Vermarktung zu beschäftigen, und hat den Betrieb gegründet. Ich war damals bei einer Werbeagentur, aber im Hinterkopf war immer der Gedanke, den väterlichen Betrieb mal weiterzumachen. In Unternehmerfamilien ist das ja immer ein Thema, da wächst man so rein. Jetzt habe ich selber zwei Kinder. Wenn die in die Welt ziehen wollen, können sie das natürlich gerne tun. Aber ich würde mich freuen, sie noch eine Weile hier halten zu können."

2 Jun 2011

AUTOREN

Schweizer

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