taz.de -- Griechenland in der EU: Austritt nicht vorgesehen

Austreten aus der EU-Gemeinschaft ist nicht einfach, die Griechen rausschmeißen noch viel schwerer. Rechtsexperten streiten seit Monaten darüber.
Bild: Eurodämmerung in Athen?

BRÜSSEL taz | Griechenlands Schicksal ist mit der Europäischen Union quasi untrennbar verbunden. Dass ein Mitgliedstaat aus der EU austritt, geht nicht so ohne Weiteres; dass ein Land wie Griechenland herausgeschmissen wird, geht erst recht nicht. So sehen es die Regeln in den EU-Verträgen vor.

Als höchste Strafe für ein Land sieht das EU-Recht lediglich einen zeitlich begrenzten Ausschluss vor. Die Mitgliedstaaten entscheiden, wie genau solch eine Suspendierung aussehen soll. Sie können zum Beispiel beschließen, bestimmte Rechte des betroffenen Landes für eine bestimmte Zeit auszusetzen. Dazu gehören auch die Stimmrechte des Landes im Ministerrat. Die Prozedur bis zu einem solchen Beschluss ist allerdings sehr langwierig und kompliziert.

Nur wenn alle Mitgliedstaaten einstimmig der Meinung sind, dass das Verhalten eines Landes dauerhaft und trotz Warnungen die gemeinsamen Werte der Union gefährdet, kann das Ausschlussverfahren eingeleitet werden. Zu diesen Werten zählen - laut Vertrag - die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte. Von Misswirtschaft oder Staatsbankrott ist hier allerdings nicht die Rede. Bisher haben die Mitgliedstaaten von dieser Möglichkeit sowieso noch nie Gebrauch gemacht.

Auch innerhalb der Eurozone sieht der Vertrag keine Möglichkeit vor, Mitglieder auszuschließen. Wenn Länder gegen die gemeinsamen Stabilitätskriterien verstoßen - wie zurzeit Griechenland -, können ihnen lediglich finanzielle Sanktionen auferlegt werden. Ein Rausschmiss ist nicht vorgesehen. Auch über einen möglichen Austritt verliert der Vertrag kein Wort.

Diese Option wird einfach nicht erwähnt, vermutlich, weil sich die Staats-und Regierungschefs bei der Ausarbeitung der Texte Anfang der 1990er Jahre nicht vorstellen konnten, dass es einmal so weit kommen würde.

Rechtsexperten streiten sich

Seit Monaten schon streiten sich Rechtsexperten darüber, ob und in welcher Form Griechenland die Gemeinschaftswährung verlassen könnte. Bisher gibt es noch kein brauchbares Ergebnis, was wohl auch daran liegt, dass ein solcher Austritt politisch nach wie vor nicht gewollt ist. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auch nach dem letzten Krisengipfel in Brüssel noch einmal betont: "Griechenland gehört zur Eurozone. Und das soll auch so bleiben."

Was für Folgen das von Griechenlands Premier Papandreou eigentlich angestrebte Referendum hätte haben können, ist auch in Brüssel völlig unklar. Hätte sich die Bevölkerung tatsächlich für einen Austritt aus der Eurozone entschieden, hätten die Athener Regierung und die Staats- und Regierungschefs der übrigen 16 Euro-Länder gemeinsam entscheiden müssen, ob ein solcher Schritt überhaupt möglich ist und unter welchen Bedingungen.

Da der Austritt aus der Eurozone an sich nicht vertraglich geregelt ist, wäre Griechenland vor die Wahl gestellt, entweder zu bleiben oder aus der gesamten Europäischen Union auszutreten. Diese Option sieht der Vertrag von Lissabon nämlich vor. In Artikel 50 heißt es: "Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten." Das betroffene Land und die übrige Union müssten in diesem Fall einen neuen Vertrag schließen, um den Austritt und die darauffolgenden Beziehungen zu regeln.

Trotz dieser Chaosszenarien gab es in Brüssel vor allem Verständnis für die Griechen: "Da die griechische Verfassung ausdrücklich Volksentscheide vorsieht, ist es das Recht und vielleicht auch die Pflicht der griechischen Regierung und des Parlaments, die Frage nach dem Verbleib Griechenlands in der Eurozone dem Volk zur Entscheidung vorzulegen", sagte der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen.

Der grüne Fraktionsvorsitzende Daniel Cohn-Bendit forderte ein umfassendes Investitionsprogramm für das Land, um die Wirtschaft zu stärken und damit auch die Zustimmung in der Bevölkerung zum Euro zu fördern: "Unter den Bürgern ist der Unmut gegen die Sparauflagen der EU und des Internationalen Währungsfonds ständig gewachsen", erklärte der Europa-Parlamentarier. "Da müssen wir dagegensteuern."

3 Nov 2011

AUTOREN

Ruth Reichstein

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