taz.de -- Das Krisenglossar Teil 3: Der Internationale Währungsfonds
Es ist noch nicht lange her, dass der IWF mit seinem schlechten Image zu kämpfen hatte. Jetzt gilt er als einer der wichtigsten internationalen Player. Dank der Krise.
Wenn es einen Gewinner der Euro-Krise gibt, so ist das der Internationale Währungsfonds, kurz IWF. Noch vor wenigen Jahren hatte der als Hüter der Weltfinanzordnung und Nothelfer für Länder mit Zahlungsschwierigkeiten 1944 gegründete Fonds viel Respekt verspielt.
Es war ihm weder gelungen, die großen Krisen rechtzeitig vorherzusagen. Noch schaffte er es, zu ihrer Lösung beizutragen. Das Problem dabei war spätestens seit 1990 im wahrsten Sinne des Wortes grundsätzlich. Denn damals erhob der IWF den "Konsens von Washington" zu seinem Prinzip, der einem neoliberalen Dogma folgte: Kredite an notleidende Staaten wurden nur unter der Auflage umfangreicher Privatisierungen, der Liberalisierung der Märkte und des Rückzugs der Politik vergeben.
Dass es dafür eine Mehrheit gab, war vor allem der Konstruktion des Fonds zu verdanken: Die Stimmrechte der 187 Mitgliedstaaten beruhen auf einem Quotensystem, das die alten Wirtschaftsmächte bevorzugt. Als Folge der einseitigen Politik suchten immer mehr Länder nach Alternativen.
Erst als sich 2007 die US-amerikanischen Subprime- und Banken-Krise zu einer globalen Finanzkrise ausweitete und zugleich Dominique Strauss-Kahn die Führung übernahm, gelang es dem IWF, sich neu zu positionieren. Mit dem umtriebigen französischen Sozialisten an der Spitze bot er sich als informeller Exekutivarm der neu entstandenen G20 an.
Flexible Kreditlinie
Schließlich brauchten die Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer eine globale Institution, die ihre Politik begleitete. Zugleich revidierte der IWF zumindest in Teilen seine strikte Linie. Zu den Strukturanpassungsauflagen, die er im Gegenzug für Kredite beispielsweise von der Ukraine verlangte, gehörten plötzlich auch höhere Sozialausgaben.
Außerdem führte der Fonds eine Flexible Kreditlinie ein, die unverschuldet in den Sog der Krise geratene Mitgliedsstaaten zur Verfügung steht. Diese Gelder sind nicht an Reformprogramme geknüpft. Die G20 beschlossen zudem 2009, die IWF-Mittel von 400 auf 750 Milliarden US-Dollar aufzustocken - das ist allerdings bisher bei weitem nicht umgesetzt.
Innerhalb des IWF brachte Strauss-Kahn die Reform der Stimmrechte voran: Künftig sollen so viele Anteile von den alten Industrieländern zu Schwellenländern wie Brasilien, Russland, China und Indien verschoben werden, dass diese insgesamt ein leichtes Stimmübergewicht bekommen.
Inzwischen gilt der IWF auch unter Strauss-Kahns Nachfolgerin Christine Lagarde als einer der wichtigsten Player in der internationalen Politik. Er ist an den Rettungspaketen für die verschuldeten Euro-Länder beteiligt, seine Experten gehören zur so genannten Troika, die regelmäßig kontrollieren, ob die Auflagen für die Milliardenkredite auch erfüllt werden. Hierbei allerdings stellen die betroffenen Länder fest, dass sich Strauss-Kahns antineoliberaler Kurs offenbar nicht verfestigt hat. Die IWF-Vertreter gelten stets als diejenigen, die die härtesten Reformen fordern.
Italien lässt sich auch überwachen
Und der Einfluss des Fonds soll weiter ausgebaut werden. Neben Griechenland, Irland und Portugal lässt sich nun auch Italien von den IWF-Kontrolleuren bei der Umsetzung seiner Sparprogramme überwachen - in der Hoffnung, dass das mehr Vertrauen auf den Finanzmärkten schafft.
Im Gespräch ist auch, Euro-Ländern in akuten Zahlungsschwierigkeiten schnelleren Zugriff auf Hilfen zu verschaffen. In Cannes empfahlen die G20, die Flexible Kreditlinie mit einer Liquiditätslinie zu ergänzen. Über diese soll jedes Mitgliedsland die Möglichkeit haben, kurzfristig für bis zu sechs Monate bis zu 500 Prozent seines Kapitalanteils als Kredit zu bekommen. Für Italien beispielsweise wären damit Hilfen in Höhe von bis zu 45 Milliarden Euro denkbar, für Spanien bis zu 23 Milliarden.
Ein ungelöstes Problem ist allerdings die begrenzte Finanzausstattung des IWF. Deshalb diskutieren vor allem die großen Schwellenländer, ob der Fonds eine Zweckgesellschaft gründen soll, über die er eigene Anleihen ausgeben könnte.
Das Interesse von China und Co ist ein doppeltes: Einerseits könnten so Milliarden beschafft werden, mit denen verschuldeten Ländern geholfen und somit das Finanzsystem stabilisiert werden kann. Andererseits böten ihnen IWF-Anleihen eine interessante Möglichkeit, die eigenen Billionen-Überschüsse anzulegen, die deutlich sicherer wäre als die direkte Kreditvergabe an Italien, Spanien und Co.
4 Nov 2011
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