taz.de -- Das Krisenglossar Teil 7: Sonderziehungsrechte

Sonderziehungsrechte sind eine vom IWF geschaffene Kunstwährung, die schon bald den Dollar als Leit- und Reservewährung ablösen könnte.
Bild: Und ziehen!

Das Konzept ist keineswegs neu, könnte nun aber an Bedeutung gewinnen: Länder mit hohen Überschüssen wie China, Brasilien und Russland sind nur dann bereit, den kriselnden Euro-Ländern finanziell unter die Arme zu greifen, wenn diese Hilfe über sogenannte Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF) läuft.

Sprich: Euro-Rettung nur über den IWF. Wenn es tatsächlich dazu kommen sollte, würde die vom IWF geschaffene Kunstwährung nicht nur deutlich an Gewicht gewinnen, sondern den Dollar als bisherige Weltreservewährung womöglich schon bald ablösen. Unvorstellbar? Keineswegs.

Bislang handelt es sich bei Sonderziehungsrechte – englisch "Special Drawing Rights" – um reines Buchgeld. 1969 eingeführt, um schon damals einem kriselnden Finanzsystem zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen, gibt der IWF sie seitdem nach einem bestimmten Quotensystem an seine Mitglieder aus. Sie sind für die einzelnen Länder als Ergänzung zu Reserven wie Gold und Währung gedacht und stellen gerade in Krisensituationen eine günstige Alternative zur Verschuldung im In- und Ausland dar.

Länder, denen Sonderziehungsrechte zugeteilt wurden, können nach eigenem Ermessen entscheiden, ob sie die Währung direkt im Zahlungsverkehr mit dem IWF verwenden oder ob der IWF finanzstarke Mitgliedsländer dazu verpflichtet, sie gegen harte Währung einzutauschen. Momentan setzen sich die Sonderziehungsrechte aus einem Währungskorb von US-Dollar, Euro, britischen Pfund und japanischen Yen zusammen. Über die Aufnahme des chinesischen Yuan wird verhandelt.

Anders als echte Währungen können Sonderziehungsrechte aber nur vom Währungsfonds selbst und von Mitgliedsstaaten und bestimmten Institutionen gehalten werden. Privatanleger und Investmentbanken haben diese Möglichkeit nicht – auch das ein Grund, warum viele Länder bislang Sonderziehungsrechte als Reserve wenig attraktiv fanden. Sonderziehungsrechte im Wert von gerade einmal umgerechnet rund 318 Milliarden US-Dollar sind weltweit im Umlauf – und das auch nur, weil im Zuge der Finanzkrise mehr Länder Bedarf angemeldet hatten. Deutschland hält derzeit SZR in Höhe von etwa 13 Milliarden Euro.

Damit machen die SZR nur einen kleinen Teil der Reserven der Bundesbank aus. Der Anteil der Goldreserven lag 2010 mit rund 115 Milliarden Euro beim neunfachen. Und auch die Devisenreserven mit rund 28 Milliarden Euro machen immer noch doppelt so viel aus wie der direkte Wert der Sonderziehungsrechte.

Obwohl mit den kriselnden EU-Staaten der Bedarf nach dieser Kunstwährung hoch sein könnte, findet sich bislang im IWF noch keine Mehrheit dafür, die Menge an Sonderziehungsrechte auszuweiten und neue auszugeben. 85 Prozent der Stimmrechte beim IWF müssen grünes Licht geben. Die USA, die mit 17 Prozent de facto bislang ein Vetorecht haben, weigern sich.

Denn sie wollen natürlich weiterhin die Hoheit über den Dollar als Leitwährung behalten. Mit einer sich weiter zuspitzenden Krise in Europa und den USA dürfte diese Blockade aber schon bald der Vergangenheit angehören.

10 Nov 2011

AUTOREN

Felix Lee
Felix Lee

TAGS

Schwerpunkt Finanzkrise
Schwerpunkt Finanzkrise
Schwerpunkt Finanzkrise
Schwerpunkt Finanzkrise
Schwerpunkt Finanzkrise
Schwerpunkt Finanzkrise
Schwerpunkt Finanzkrise
Schwerpunkt Finanzkrise
Schwerpunkt Finanzkrise

ARTIKEL ZUM THEMA

Das Krisenglossar Teil 11: Finanztransaktionssteuer

Mittlerweile fordern sie fast alle. Doch bevor die Steuer eingeführt werden kann, müssen Hürden genommen werden. Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln der Finanzkrise vor.

Das Krisenglossar Teil 10: Glänzendes Gold

Gold verspricht Sicherheit, wenn das Geld baden geht. Doch nicht immer geht die Rechnung auf. Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln der Finanzkrise vor.

Das Krisenglossar Teil 9: Staatsanleihen

Staaten verkaufen Anleihen, weil sie Geld brauchen. Trauen ihnen Anleger nicht mehr, wird es schnell teuer. Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln der Finanzkrise vor.

Das Krisenglossar Teil 8: Troika

Was macht eigentlich die Troika – und warum ist Griechenland von ihrem Wohlwollen abhängig? Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln der Finanzkrise vor.

Das Krisenglossar Teil 5: Der Hebel

Das Hebelgesetz gilt nicht nur für die Wippe. Es liegt auch dem Euro-Rettungsfonds zugrunde. Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln aus der Finanzkrise vor.

Das Krisenglossar Teil 4: Die Schuldenspirale

Wie gerät ein Land in die Schuldenspirale – und wo führt diese Spirale eigentlich hin? Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln aus der Finanzkrise vor.

Das Krisenglossar Teil 3: Der Internationale Währungsfonds

Es ist noch nicht lange her, dass der IWF mit seinem schlechten Image zu kämpfen hatte. Jetzt gilt er als einer der wichtigsten internationalen Player. Dank der Krise.

Das Krisenglossar Teil 2: Inflation

Ist das Geld bald nichts mehr wert? Diese Befürchtung haben nicht nur die Verbraucher, sie hemmt auch die Politik. Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln aus der Finanzkrise vor.

Das Krisenglossar Teil 1: Die Europäische Zentralbank

Was genau macht eigentlich die EZB? Man kennt zwar ihren Namen, aber nicht unbedingt ihre Bedeutung. Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln aus der Finanzkrise vor.