taz.de -- Wer bezahlt den Euro-Rettungsschirm: Eine Billion ist nicht leicht aufzutreiben

Noch immer ist unklar, wie der Euro-Rettungsfonds auf eine Billion Euro gehebelt werden kann. Finanzinvestoren ignorieren den Rettungsschirm bislang. In Brüssel beraten die Minister.
Bild: Klaus Regling: Optimist und Rettungsfondschef.

BERLIN dpa/taz | Noch immer ist unklar, wie der europäische Rettungsschirm EFSF auf eine Billion Euro gehebelt werden soll. Ein Treffen der Euro-Finanzminister am Montagabend erbrachte keine konkreten Ergebnisse. Stattdessen wird weiter an den Details gefeilt. Der Chef des Rettungsschirms, Klaus Regling, kündigte an, dass die genauen Hebelmechanismen in den nächsten drei Wochen feststehen sollen.

Bisher kann der Rettungsschirm 440 Milliarden Euro auszahlen. Doch davon sind schon etwa 200 Milliarden verplant, um die Rettungspakete für Irland, Portugal und Griechenland zu finanzieren. Die verbleibenden Mittel reichen jedoch nicht aus, um eine Pleite von Spanien oder Italien abzuwenden, falls sie kein Geld mehr auf den Finanzmärkten erhalten. Allein Italien hat Staatsschulden in Höhe von 1,9 Billionen Euro.

Daher wurde auf dem Euro-Gipfel am 26. Oktober beschlossen, dass der Rettungsschirm auf eine Billion Euro gehebelt werden soll. Schon damals standen zwei Modelle zur Diskussion, über die die Euro-Finanzminister am Montagabend nun erneut berieten.

Versicherung von Anleihen oder Co-Investmentfonds

Variante I: Der Rettungsschirm übernimmt eine Art Versicherung für die Staatsanleihen von Spanien oder Italien. Sollte eines der beiden Länder pleitegehen und seine Kredite nicht vollständig zurückzahlen, dann würde der EFSF die ersten Verluste bis zu 25 Prozent tragen.

Variante II: Es werden Sondertöpfe geschaffen - Co-Investmentfonds (CIF). Dort könnten die Staatsfonds anderer Länder einzahlen, etwa Norwegen oder China. Dieser gemeinsame Fonds würde Staatsanleihen von Italien oder Spanien aufkaufen, wobei der EFSF erneut als erster eventuelle Verluste auffängt.

Zumindest Regling gab sich unverändert optimistisch, dass die neuen Hebelstrategien funktionieren. Sie würden die "Finanzierungskosten des Staates reduzieren". Dieser Effekt ist jedoch bisher nicht zu beobachten. Im Gegenteil: Die Investoren ignorieren den gehebelten Rettungsschirm.

Die Risikoaufschläge für Italien stiegen am Dienstag auf neue Rekordhöhen und betrugen in der Spitze 6,74 Prozent für die zehnjährigen Staatsanleihen. Dieser Effekt hat nicht nur mit dem ungeliebten Premier Silvio Berlusconi zu tun, denn auch Spanien hat mit steigenden Zinsen zu kämpfen. Dort liegen sie inzwischen bei 5,48 Prozent.

China und Russland zögern

Der Rettungsschirm kann die Finanzmärkte also nicht beruhigen. Dazu trägt auch bei, dass sich die Fondslösung nicht bewährt: Weder China noch Russland ließen sich bisher überzeugen, in den gehebelten Rettungsschirm zu investieren.

Daher kursieren nun mehr oder minder absurde Vorschläge, wie sich der Rettungsschirm auch ohne auswärtige Hilfe aufstocken ließe. So wurde öffentlich spekuliert, der EFSF könnte doch die Gold- und Devisenreserven der europäischen Zentralbanken anzapfen. Dies wurde von den Finanzministern energisch dementiert. "Gold ist kein Thema und war auch nie ein Thema", sagte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker.

Dafür war hingegen Griechenland ein Thema: Es kann bis Ende November mit der nächsten Kredittranche von acht Milliarden Euro rechnen, wenn sich alle politischen Parteien in Athen vertraglich zum verlangten Sparkurs bekennen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will sich damit von den politischen Entwicklungen in Griechenland abkoppeln: "Es darf nicht vom Ausgang der Wahl abhängig sein, dass die europäischen Verpflichtungen erfüllt werden". UH

8 Nov 2011

ARTIKEL ZUM THEMA

Griechische Übergangsregierung: Papademos' Chancen steigen wieder

Die Suche nach dem Chef der griechischen Übergangsregierung ging bis in die Nacht. Die Chancen von Lucas Papademos scheinen wieder zu steigen, die von Filippos Petsalnikos sind gesunken.

EFSF-Schirm reicht nicht: Italien hebelt Eurorettung aus

Zur Rettung Italiens reicht der Rettungsschirm EFSF nicht mehr aus. Der neue Finanzhebel kommt zu spät. Nun beginnt die Rettungsdebatte wieder von vorne.

Athen bekommt neue Regierung: Papademos, Petsalnikos, Kaklamanis?

Sozialisten und Konservative werden die griechische Übergangsregierung bilden. Wer sie anführen wird, ist weiter unklar - aber nicht mehr lange.

Kommentar Eurozone: Erst mal muss der Politclown weg

Berlusconi soll weg: Da sind sich alle in der Eurozone einig. Doch das ist noch das geringste Problem. In größter Harmonie sparen die Euroländer sich in die Rezession.

Kolumne Bio: Weinen um die Idee Europa

Rauscht der Wald nur bei uns? Funkeln die Sterne nur über Deutschland? Nein! Heimat ist da, wo du die Welt retten willst.

Das ist die Krise: Euro retten - aber sicher

Warum mehr Geld besser ist als weniger Geld, und was die EZB tun sollte. Fragen und Antworten zur Eurokrise.

Plebiszite in der Eurokrise: Fragt doch mal das Volk

Mancher Koalitionär sucht jetzt Rat beim Volk. Die Idee für ein Plebiszit klingt einfach, die Umsetzung ist schwierig. Auf lange Sicht könnte sie sich aber durchsetzen.

Kommentar EZB: Eurozone kurz vor dem Crash

Indem die Europäische Zentralbank Staatsanleihen aufkauft, könnte sie den Euro retten – aber Kanzlerin Merkel winkt ab. Dabei wäre dies die billigste Lösung.

Das Krisenglossar Teil 1: Die Europäische Zentralbank

Was genau macht eigentlich die EZB? Man kennt zwar ihren Namen, aber nicht unbedingt ihre Bedeutung. Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln aus der Finanzkrise vor.