taz.de -- Griechische Übergangsregierung: Papademos' Chancen steigen wieder
Die Suche nach dem Chef der griechischen Übergangsregierung ging bis in die Nacht. Die Chancen von Lucas Papademos scheinen wieder zu steigen, die von Filippos Petsalnikos sind gesunken.
ATHEN rtr | In Griechenland geht die Suche nach einem Chef der Übergangsregierung weiter. Die Parteispitzen von Sozialisten und Konservativen wollten nach Angaben des Präsidialamts am Donnerstagmorgen ihre Verhandlungen fortsetzen.
Im Gespräch ist nun offenbar wieder der vorübergehend bereits abgemeldete frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, nachdem sich der bisherige Ministerpräsident Giorgos Papandreou und Oppositionschef Antonis Samaras am Mittwoch doch nicht auf den sozialistischen Parlamentspräsidenten Filippos Petsalnikos verständigt hatten.
Die Übergangsregierung soll einen Bankrott des hoch verschuldeten Landes verhindern und die mit der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds verabredeten Sparmaßnahmen umsetzen sowie Neuwahlen vorbereiten.
Die Gesamtverschuldung Griechenlands steigt nach Angaben der Europäischen Kommission im nächsten Jahr von 163 auf 198,3 Prozent der Wirtschaftsleistung, wenn das neue Rettungspaket für Athen scheitert. Für 2013 prognostiziert die Kommission in ihrem am Donnerstag vorgestellten Herbstgutachten eine Gesamtverschuldung von knapp 200 Prozent.
Petsalnikos war indes offenbar auf Widerstand in beiden Parteien gestoßen. "Diese Kandidatur ist so nah an der Politik von Papandreou. Sie signalisiert nicht den Wandel, den das griechische Volk will", sagte ein Vertreter der Sozialisten.
Am späten Abend telefonierte Papandreou, der zuvor seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte, daraufhin nach Angaben eines Regierungsvertreters mit Samaras. In dem Gespräch habe er erklärt, Papademos' Bedingungen für eine Übernahme des Postens inzwischen zu akzeptieren.
"Sie kämpfen wie Hund und Katze"
Nun solle auch Samaras Papademos kontaktieren. Der frühere EZB-Vize verlangt einem Regierungsvertreter zufolge unter anderem, dass Sozialisten und Konservative schriftlich erklären, das mit harten Sparauflagen verbundene und deswegen in der Bevölkerung umstrittene 130 Milliarden Euro schwere Rettungspaket zu unterstützen.
Eigentlich sollte die Zusammensetzung des Kabinetts der Übergangsregierung längst feststehen. Das sich in die Länge ziehende Pokern um den Regierungschef sorgt für Unverständnis bei den Griechen und den Gläubigern des Euro-Lands. "Die Europäer haben die Nase voll von uns. Papandreou und Samaras kapieren nicht, dass sie uns kein Geld mehr geben werden und dass wir zur Drachme zurückkehren werden", sagte etwa der frühere Finanzminister Stefanos Manos.
"Sie werden uns zerstören. Solche Probleme verlangen nach Entscheidungen. Aber sie können nichts entscheiden und sie kämpfen wie Hund und Katze."
10 Nov 2011
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