taz.de -- Fragen und Antworten zur Eurokrise: Euroländer tanzen auf dem Vulkan

Italien treibt in den Bankrott, die Wirtschaft schrumpft und Gerüchte über "Elitebonds" der reichen Eurostaaten kursieren. Und wieder soll ein Krisengipfel helfen. Was geht?
Bild: Es kann einem schon schwindelig werden bei dieser Eurokrise.

Die Eurokrise verschärft sich unaufhaltsam. Am Montag mussten die Italiener für eine 10-jährige Staatsanleihe 7,3 Prozent Zinsen bieten, um Investoren zu finden. Belgien zahlte 5,7 Prozent - ebenfalls ein Rekord.

Warum sind Zinsen von 7 Prozent gefährlich?

Hohe Zinsen lassen sich nur finanzieren, wenn die Wirtschaft stark wächst, die Inflation hoch ist und/oder die Staatsverschuldung niedrig liegt. Auf Italien trifft nichts davon zu. Die Staatsverschuldung liegt bereits bei 120 Prozent der Wirtschaftsleistung - da macht jedes Zinsprozent einen Milliardenbetrag aus. Die Schulden entwerten sich auch nicht von selbst, denn die Inflation ist in Italien niedrig.

Zudem ließen sich die neuen Anleihen nur verkaufen, weil sie "inflationsindiziert" sind. Bei einer Teuerung würden die Zinsen steigen. Daher könnte nur noch ein starkes Wirtschaftswachstum helfen, doch Italien steuert auf eine Rezession zu.

Am Montag prognostizierte die OECD, dass die italienische Wirtschaft 2012 um 0,5 Prozent schrumpft. Fazit: Mit diesen hohen Zinsen treibt Italien in die Pleite. Irland, Griechenland und Portugal sind daher unter den EU-Rettungsschirm geschlüpft, als sie 7 Prozent Zinsen zahlen mussten.

Was ist mit dem Rettungsschirm EFSF?

Der Rettungsschirm hat nicht genug Geld, um Italien oder Spanien zu retten. Momentan stehen dem EFSF 440 Milliarden Euro zur Verfügung - allerdings ist knapp die Hälfte des Geldes schon für Irland, Portugal und Griechenland reserviert. Daher soll der Rettungsschirm auf eine Billion Euro "gehebelt" werden, indem sich auch private Kreditgeber beteiligen.

Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat am Montag diese Hebelmechanismen beraten. Einziges Problem: Die Investoren zeigen kein Interesse an diesem gehebelten Rettungsschirm, weil ihnen das Risiko zu groß ist. Also fehlt weiterhin das Geld, um Spanien oder Italien zu unterstützen.

Springt der Internationale Währungsfonds (IWF) ein?

Die italienische Tageszeitung La Stampa hatte am Sonntag berichtet, der IWF könne Italien mit bis zu 600 Milliarden Euro unterstützen. Doch am Montag kam das Dementi: Man befinde "sich nicht in Diskussionen mit der italienischen Regierung über ein Finanzierungsprogramm", teilte ein IWF-Sprecher mit.

Gibt es demnächst "Elite-bonds" der AAA-Staaten?

Die Tageszeitung Die Welt hatte am Montag berichtet, dass über einen "Elitebond" nachgedacht werde. An dieser gemeinsamen Staatsanleihe dürften sich nur jene Euroländer beteiligen, die von den Ratingagenturen mit der Bestnote AAA bewertet werden. Dieser "Elitebond" würde also nur Deutschland, die Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Österreich und Finnland umfassen.

Mit diesem "Elitebond" würden sich die sechs Staaten dann gemeinsam gegen die Turbulenzen auf den Finanzmärkten verteidigen. Das Finanzministerium dementierte diesen Bericht am Montag: "Es gibt keine Planungen für Triple-A-Bonds oder Elitebonds, wie in dem Artikel dargestellt."

Was sagen die Rating-Agenturen zum AAA?

Es ist keineswegs sicher, dass die AAA-Staaten ihre Bestnote noch lange behalten. Die Rating-Agentur Moodys sieht die "Gefahr negativer Entwicklungen" im Euroraum und kündigte an, dass alle Euroländer heruntergestuft werden könnten, falls die Eurokrise nicht bald gelöst werde.

Was ist mit Deutschland und anderen Eurostaaten?

Die Eurokrise greift auf alle Staaten über. Die gesamte Eurozone sei in eine "milde Rezession" abgerutscht, teilte die OECD am Montag mit. Dies gilt auch für Deutschland. Im vierten Quartal 2011 wird hier mit minus 0,6 Prozent gerechnet, und mit minus 0,3 Prozent im ersten Quartal 2012 - jeweils im Vergleich zum Vorquartal.

Ab Mitte 2012 soll es in der ganzen Eurozone wieder leicht aufwärtsgehen, weswegen die OECD für Deutschland 2012 mit einem Jahreswachstum von 0,6 Prozent rechnet. Von diesem Miniaufschwung werden die Problemstaaten jedoch nicht profitieren. In Portugal wird die Wirtschaft um geschätzte 3,2 Prozent schrumpfen, in Griechenland dürfte das Minus bei 3,0 Prozent liegen. Erst 2013 soll es in beiden Ländern wieder aufwärtsgehen.

Und was schlägt die Bundesregierung jetzt vor?

Sie will die Eurozone zu einer "Stabilitätsunion" weiterentwickeln, die gegenseitig ihre Defizite kontrolliert. Bundesfinanzminister Schäuble stellt sich vor, dass die Euroländer bilaterale Verträge abschließen, um langwierige Abstimmungsprozesse über neue EU-Verträge zu vermeiden.

Wie sieht der Zeitplan für die EU-Verhandlungen aus?

Am 8. und 9. Dezember findet ein EU-Gipfel in Brüssel statt. An diesem Dienstag treffen sich Eurofinanzminister. Am Freitag wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben.

28 Nov 2011

AUTOREN

Ulrike Herrmann

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