taz.de -- Kommentar Zschäpes Haftbeschwerde: Anhaltender Klärungsbedarf
Sollte Zschäpe frei kommen, weil man ihr kaum etwas nachweisen kann, wäre das ein weiterer Höhepunkt der Skandalchronik. Doch verwunderlich wäre es nicht.
Auf den ersten Blick wirkt die Haftbeschwerde der Verteidiger von Beate Zschäpe absurd. Dass eine Frau, der die Beteiligung an neun Morden und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, aus der Untersuchungshaft entlassen werden könnte, erscheint völlig abwegig.
Dass ihre Anwälte es trotzdem versuchen, ist legitim - ebenso wie der Versuch, die als "Nazi-Braut" titulierte Zschäpe in einem etwas menschlicheren Licht erscheinen zu lassen. Jeder hat das Recht auf eine bestmögliche Verteidigung. Und auf zumutbare Haftbedingungen. Eine Zelle, in der Tag und Nacht das Licht brennt, gehört nicht dazu.
Die Haftbeschwerde verweist allerdings auf die Schwierigkeiten der Bundesanwaltschaft, Zschäpe auch nachzuweisen, was ihr vorgeworfen wird. Wie es heißt, soll selbst das Bundesinnenministerium inzwischen davon ausgehen, dass sich möglicherweise letztlich nur der Vorwurf der Brandstiftung in ihrer eigenen Wohnung erhärten lässt.
Falls es so kommen sollte, wäre das ein weiterer Höhepunkt in der schier endlosen Skandalchronik im Zusammenhang mit der Zwickauer Rechtsterroristenzelle. Verwundern würde es nicht: Wer stets in die falsche Richtung ermittelt hat, wie es die Ermittlungsbehörden getan haben, der hat es nicht leicht, jetzt noch die richtigen Spuren zu finden. Für die Angehörigen der Ermordeten wäre das ein weiterer schwerer Schlag.
Aussicht auf Erfolg dürfte die Haftbeschwerde nicht haben, schließlich bleibt die ihr angelastete schwere Brandstiftung - und die Tatsache, dass Zschäpe über ein Jahrzehnt im Untergrund lebte. Die Beschwerde zeigt aber auch, wie viel Aufklärungsbedarf noch besteht - gerade im Hinblick auf das Versagen der Behörden im Kampf gegen den militanten Neonazismus.
28 Dec 2011
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Beate Zschäpe war weit mehr als eine Mitläuferin. Den Ermittlern zufolge war sie eng in die Neonazi-Terrorzelle eingebunden – bis hin zum "letzten propagandistischen Akt".
Ein Untersuchungsbericht zeigt, dass die Sicherheitsbehörden den Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" früh auf den Fersen waren.
Die Bundesanwaltschaft lehnt ab, die mutmaßliche Terroristin freizulassen. Ihr Anwalt beklagt Haftbedingungen und die fehlende Akteneinsicht bei der Bundesanwaltschaft.
Die Grünen und Linkspartei forderten bereits vor Weihnachten einen Untersuchungsausschuss zur rechtsextremistischen Mordserie. Die SPD zieht jetzt doch noch nach.
Niedersachsens Justizminister rechnet mit Verzögerungen bei den Ermittlungen zu den Neonazi-Terroristen. Und macht die fehlende Vorratsdaten dafür verantwortlich.
Nachdem die Terroristen der Zwickauer Zelle untergetaucht waren, telefonierten sie mit NPD-Mitgliedern. Die rechtsextreme Partei will mit dem Trio aber weiterhin nichts zu tun gehabt haben.
Die Staatsanwaltschaft prüft Vorwürfe gegen den Thüringer Verfassungsschutz. Mit Geld von der Behörde sollten die Neonazis neue Pässe bekommen.
Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Zschäpe kann womöglich nicht wegen Mordes angeklagt werden. Das Innenministerium meint, es lasse sich nur der Vorwurf der Brandstiftung erhärten.