taz.de -- Konflikt zwischen Israel und Palästina: Drei illegale Siedlungen anerkannt

Drei sogenannte Siedlervorposten werden rückwirkend legalisiert. Die Entscheidung der Regierung läuft einem Dialog mit den Palästinensern zuwider.
Bild: Mit der Legalisierung dreier Siedlungen nimmt die israelische Regierung Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Grundlage für Friedensgespräche.

JERUSALEM taz | Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lässt sich von einem Brief, den Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ihm letzte Woche zukommen ließ, wenig beeindrucken. Knapp eine Woche nach dem verzweifelten Appell der Palästinenser, den Friedensprozess wieder aufzugreifen, legalisierte ein Ministerkomitee in Jerusalem rückwirkend drei sogenannte Siedlervorposten.

In der kommenden Woche will Netanjahu zudem versuchen, die bis zum 1. Mai gerichtlich angeordnete Räumung des Ulpana-Viertels in der Siedlung Beth El zu verzögern, um die Rechtslage der Gebäude erneut prüfen zu lassen.

„Das ist also die Antwort Netanjahus“, kommentierte Nabil Abu Rudeina, ein Sprecher des Palästinenserpräsidenten, frustriert. Seit vier Jahren hält Abbas an seiner Bedingung fest, Gespräche erst dann wieder aufzunehmen, wenn Israel den Siedlungsbau stoppt. Man habe „das Ende des Weges“ erreicht, mahnte er in seinem Brief an Netanjahu. Die Palästinensische Autonomiebehörde büße zusehends ihre Existenzberechtigung ein. Entweder man entscheide sich für den Frieden oder man müsse mit neuen Spielregeln rechnen.

Abbas bleibt kaum noch Raum für Manöver. Zu dem zwischen dem palästinensischen Regierungschef Salam Fayyad und Netanjahu letzte Woche geplanten Treffen erschien Fayyad nicht mehr selbst, sondern schickte in letzter Minute einen Vertreter. Die Versöhnungsgespräche mit der Hamas stecken fest. Kein Mensch spricht mehr von den für Mai geplanten Wahlen.

Nach der Schlappe vor dem UN-Sicherheitsrat im September, als die PLO mit dem Antrag auf Anerkennung Palästinas scheiterte, besteht kaum noch Hoffnung, dass eine Internationalisierung des Konflikts dessen Beendigung forcieren könnte.

Der Schatten des Arabischen Frühlings

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte die Legalisierung der drei „Vorposten“ zwar scharf und die US-Regierung äußerte ihren Unmut. Trotzdem rückt das Palästinenserproblem stark in den Schatten des Arabischen Frühlings. Zudem ist vor den Wahlen in den USA ohnehin kaum auf konstruktive Entwicklungen zu hoffen.

Für Netanjahu heißt es bis dahin, die Regierung zusammenzuhalten. Die Räumung des Ulpana-Viertels „muss vermieden werden“, meinte er, während Verteidigungsminister Ehud Barak es nicht als Problem empfindet, die 30 betroffenen Familien in die „legale Siedlung“ Beth El umziehen zu lassen. Vizeministerpräsident Mosche Yaalon verknüpft die Ulpana-Frage inzwischen mit dem Sein oder Nichtsein der Regierungskoalition.

Yaalon und Barak waren schon Anfang April aneinandergeraten, nachdem der Verteidigungsminister ein von Siedlern besetztes Haus in Hebron hatte räumen lassen. Yaalon beschuldigte Barak der Wahltaktik. Barak verfolge „eine andere Agenda als die Regierung“.

Informationen der Menschenrechtsorganisation Jesch Din (Es gibt ein Recht) zufolge wohnen die Familien im Ulpana-Viertel ohnehin nur zur Miete. Jesch Din war zusammen mit den palästinensischen Grundstücksbesitzern im Oktober 2008 vor Gericht gezogen, um den Abriss der damals noch unbewohnten Neubauten zu bewirken. Bereits im Mai 2011 entschied der Oberste Gerichtshof für die Kläger, deren Grundstück innerhalb eines Jahres von den illegalen Bauten geräumt werden müsse.

„Die Regierung hatte ein Jahr Zeit, um eine Verschiebung zu beantragen“, sagt Michael Sfard, Rechtsanwalt von Jesch Din. „Auf Kosten des Rechtsstaates“ würden hier auf „besorgniserregende Weise politische Interessen verfolgt“.

25 Apr 2012

AUTOREN

Susanne Knaul

TAGS

Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Palästina in der UNO: „Die Lage ist sehr gefährlich“

Die Palästinenser wollen vor der UN-Vollversammlung die Aufwertung ihres Status beantragen. Die Parlamentarierin Hannan Aschrawi über das Gefühl, in einer Falle zu stecken.

Israelische Siedlungspolitik: Erst Sperrgebiet, dann Siedlerland

Neun kleinen Dörfern im Westjordanland droht der Abriss durch Israels Armee. Die beansprucht das Land für Militärübungen. Die betroffenen Hirten wollen aber bleiben.

Gewalt in Syrien: Hamas-Mitglied gezielt getötet

Immer wenn ein Hamas-Mitglied in Syrien getötet wird, soll es der Mossad gewesen sein. Assads Land diente der Palästinenserorganisation lange als sicheres Exil.

Hamas-Führer provoziert Israel: „Das ist ein gutes Gift für euch“

Der Führer der radikal-islamischen Hamas Mahmud Al-Sahar fordert Deutschland auf, Juden aus Israel aufzunehmen. Die Hamas kämpft für ein Ende des jüdischen Staates.

Israels Siedlungspolitik: Wenige abreißen, viele neu bauen

Fünf Häuser werden in der Siedlung Bet El abgerissen – und 851 neue werden gebaut. Dass der Staat dabei gegen den Friedensfahrplan verstößt, stört nicht.

Illegale Häuser in Westjordanland: Knesset watscht Siedler ab

Das Parlement in Jerusalem stimmt für den Abriss von fünf Häusern in der Siedlung Bet El im Westjordanland. Die sind auf privatem palästinensischen Grund errichtet worden.

Dokumentation „Nach der Stille“ in der ARD: „Wir haben ihn nicht geschickt“

Wenn Talkshows sommerpausieren, hat die ARD endlich Zeit für Dokus. Etwa über die Begegnung einer israelischen Witwe mit der palästinensischen Familie des Attentäters.

Konflikt zwischen Israel und Palästina: Mit iPods gegen Siedlerangriffe

Die Menschenrechtsgruppe Betselem rüstet Palästinenser mit Kameras aus, damit sie Angriffe von Siedlern filmen. Vor Gericht könnten die Aufnahmen entscheidend sein.

Abbas tauscht seine Minister aus: „Stadium der Lähmung“

Der Palästinenserpräsident stellt überraschend ein neues Kabinett vor. Mahmud Abbas vereidigte am Mittwoch acht neue Minister. Die Hamas ist darüber verärgert.

Palästinensische Vertreibung 1948: Wer sich erinnert, wird abgestraft

Der Gedenktag der palästinensischen Vertreibung unterliegt einem neuen Gesetz. Öffentlichen israelischen Einrichtungen droht Geldentzug, falls sie den Tag begehen.

Nahost-Friedensverhandlungen: Freundlicher Briefverkehr

Ein Gesandter Israels hat sich mit Palästinenserpräsident Abbas getroffen. Er übergab einen Brief, in dem es um die Bedingungen für die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen geht.

Kommentar Regierungskoalition in Israel: Der Chef will keinen Frieden

Mit der neuen Mehrheit könnte Israel schwierige Entscheidungen in Angriff nehmen, die für den Friedensprozess notwendig sind. Doch Netanjahu hat kein Interesse.

Netanjahu holt Rivalen ins Boot: Vom Lügner zum Koalitionspartner

Der israelische Regierungschef Bernjamin Netanjahu zimmert sich eine Riesenkoalition zusammen. Die Opposition schrumpft auf nur 26 Abgeordnete.

Neue Regierungskoalition in Israel: Ein nächtlicher Überraschungscoup

Benjamin Netanjahus Likud bildet eine große Koalition mit der oppositionellen Kadima-Partei. So umgeht der Regierungschef Neuwahlen im September und ist politisch gestärkt.

Neuwahlen in Israel: Keine Gefahr für Netanjahu

Anfang September wird ein neues Parlament gewählt. Die Regierung ist über Ultraorthoxe und Siedlungen zerstritten. Gleich zwei neue Parteien treten an.

Neuer Schutzwall zum Libanon: Israel mauert sich weiter ein

Ein Teil der Grenze zum Libanon wird bald durch eine Mauer markiert. Das mehrere Meter hohe Bauwerk soll einen israelischen Grenzort schützen.

Streit mit Israel: Ägypten liefert kein Gas mehr

Israel zahle seine Rechnungen nicht, begründet die ägyptische Firma EGAS die Einstellung der Gaslieferungen. Seit sechs Monaten läuft ein Schlichtungsverfahren.

Energiekrise in Gaza: Unmut über die Hamas nimmt zu

Die anhaltende Energiekrise verärgert die palästinensische Bevölkerung. Die politische Führung der islamischen Organisation stellt Sicherheitsleute an Tankstellen auf.

Palästinensische Häftlinge im Hungerstreik: Eingesperrt ohne Anklage

Rund 1.200 in israelischen Gefängnissen einsitzende Palästinenser sind in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Sie fordern verbesserte Haftbedingungen und ein Ende der Administrativhaft.