taz.de -- Bürgerkrieg in Syrien: Hohe syrische Offiziere setzen sich ab
Syrische Militärs sind in die Türkei geflohen. Die Bewohner von der aufständischen Stadt Homs richten einen Appell an die internationale Gemeinschaft.
ISTANBUL dpa/rtr/afp/taz | Die militärische Machtbasis des syrischen Regimes schwindet weiter dahin. Nach Angaben des türkischen Staatsfernsehens sind am Montag ein syrischer General, zwei Oberste, zwei Majore und ein Leutnant in die Türkei geflohen. Mit ihnen seien 33 weitere Soldaten übergelaufen.
CNN Türk berichtete zudem, die ranghohen Militärs hätten ihre Familien aus Syrien mitgebracht. Es handle sich daher um insgesamt 224 Flüchtlinge. Bislang sollen 13 syrische Generäle in die Türkei geflohen sein. Derzeit befinden sich in der Türkei knapp 35.000 syrische Flüchtlinge.
Auch die Flucht innerhalb des Landes geht weiter. Der Beschuss der Vorstadt Duma bei Damaskus hat gestern nach Angaben von Aktivisten eine Fluchtwelle ausgelöst. Die Oppositionellen veröffentlichten Bilder im Internet, auf denen schwer beladene Kleinbusse und Autos beim Verlassen des Ortes zu sehen sind. Duma ist eine der Hochburgen des Widerstands gegen das Regime von Baschar al-Assad.
Hilferuf aus Homs
In der umkämpften syrischen Stadt Homs sind nach Angaben des Roten Kreuzes Hunderte Zivilpersonen eingeschlossen. Wegen der Gefechte könnten sie von Hilfsorganisationen nicht erreicht werden, sagte der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Jakob Kellenberger, am Montag in Genf.
Die Bewohner von Homs haben unterdessen einen Hilfsappell an die internationale Gemeinschaft gerichtet und sehen sich als Opfer eine „Genozids“. „Wir sind Ziel von anhaltenden und gnadenlosen Bombardierungen durch Raketen, Militärhubschrauber, Granaten, Panzern und schweren Waffen“, hieß es in einer vom Syrischen Nationalrat am Montag verbreiteten Erklärung der Bewohner der Stadt. „Eines der grausamsten Verbrechen spielt sich vor euren Augen ab, und ihr helft den Opfern noch immer nicht.“
16. EU-Sanktionsrunde
Die EU hat am Montag Sanktionen gegen das syrische Verteidigungs- und Innenministerium verhängt und damit den Druck auf das Regime Baschar Assads verschärft. Damit werden deren Konten in Europa eingefroren und Einreiseverbote verhängt. Es war schon die 16. Sanktionsrunde gegen Damaskus.
Einen Tag vor einer Beratung der Nato über den Abschuss eines türkischen Kampfjets durch die syrische Luftabwehr ist am Montag bekannt geworden, dass am vergangenen Freitag eine zweite türkische Maschine bedroht war. Ein zur Absturzstelle entsandtes Suchflugzeug sei vom Radar der syrischen Luftabwehr erfasst worden und habe abgedreht, erklärten Diplomaten in Ankara. Eine militärische Reaktion der Nato gegen Syrien wird weiter ausgeschlossen. GB
25 Jun 2012
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