taz.de -- Kommentar Betreuungsgeld: Tausche Gebühr gegen Prämie

Die Praxisgebühr, eine unsoziale Maßnahme, wird abgeschafft. Eine andere, das Betreuungsgeld, wird eingeführt. Bis sie wieder abgeschafft wird.

Irgendjemand bei der FDP hat herausgefunden, dass man das Betreuungsgeld auch großartig marktwirtschaftlich verkaufen kann.

Denn wem nutzt eine Monatsprämie für Eltern, die ihr ein- bis dreijähriges Kind nicht in eine öffentliche Kita stecken? Genau: den Eltern, die ihr Kind in eine teure Privatkita schicken oder von einer noch teureren Privatnanny betreuen lassen. Das Betreuungsgeld: nicht etwa eine „Herdprämie“ für die CSU-nahe Hausfrau – i wo! –, sondern recht eigentlich ein Besserverdiener-Programm zum Ausbau des privaten Betreuungsmarktes. Wenn dazu noch das Betreuungsgeld für weniger Betuchte direkt in die Versicherungswirtschaft fließt (private Bildungs- und Rentenvorsorge), dann geben vielleicht auch die Wirtschaftsverbände Ruhe. Was will ein Rainer Brüderle mehr?

Die konkrete Argumentation, warum das Betreuungsgeld zwingend ist, werden FDP und CDU sicherlich nachliefern. Bislang fand es zwar niemand außer der CSU sinnvoll. Doch hat nun der FDP-Fraktionschef seine Zustimmung zur Familienleistung in einem Atemzug mit der „Entlastung der Kassenpatienten“ erklärt. Das bedeutet: Wenn das Betreuungsgeld bis zur Bayernwahl 2013 eingeführt wird, darf der FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr im Gegenzug verkünden, dass die Praxisgebühr entfällt.

Vielleicht liegt die tiefere Weisheit dieses Handels darin, dass immerhin eine sinnlose und unsoziale Maßnahme abgeschafft wird, bevor eine andere eingeführt wird. Die Praxisgebühr hat nie die erhoffte „Steuerungswirkung“ auf die „Ärztehopper“ entfaltet. Mit ein bisschen Glück wird auch das Betreuungsgeld nicht die befürchtete Steuerungswirkung entfalten, dass Frauen ganz aus dem Job rutschen. Bevor es wieder abgeschafft wird.

24 Oct 2012

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Ulrike Winkelmann

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