taz.de -- FDP-Politikerin über Betreuungsgeld: „Ich würde mit Nein stimmen“

Das Betreuungsgeld ist völlig verkehrt, sagt die FDP-Politikerin Nicole Bracht-Bendt. Ob sie dennoch im Bundestag zustimme, sei derzeit offen.
Bild: „Ich halte das Betreuungsgeld für das völlig falsche Instrument“, sagt Nicole Bracht-Bendt.

taz: Frau Bracht-Bendt, die FDP will den in der vergangenen Woche mit der Union gefundenen Kompromiss zum Betreuungsgeld plötzlich nicht mehr mittragen. Was ist da los in Ihrer Partei?

Nicole Bracht-Bendt: Das ist ganz normaler parlamentarischer Alltag. So wie der Gesetzentwurf jetzt vorliegt, ist er für uns nicht tragbar. Das Betreuungsgeld ist schlicht zu teuer.

Steht die Koalition wieder mal vor einem Bruch?

Das würde ich nicht sagen, wir sind in Verhandlung und die gerade laufenden Gespräche sind völlig legitim.

Steht das Betreuungsgeld jetzt zur Disposition?

Mein Wunsch wäre, dass es verschwindet. Aber CSU-Chef Horst Seehofer wird darauf nicht verzichten wollen.

Sie sind eine erklärte Gegnerin des Betreuungsgeldes. Wie werden Sie abstimmen, wenn es jemals zu einer Abstimmung kommen sollte?

Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau sagen. Momentan würde ich aber mit Nein stimmen. Ich halte das Betreuungsgeld für das völlig falsche Instrument, 2007 habe ich sogar Unterschriften dagegen und für den Kita-Ausbau gesammelt.

Herr Seehofer erinnert stets an den Koalitionsvertrag. Darin ist das Betreuungsgeld verankert.

Auch für die FDP ist der Koalitionsvertrag eine Grundlage, an die wir uns halten.

Was wird die FDP der CSU als Austausch für die „Herdprämie“ anbieten?

Ich habe keine Verhandlungsoption, das machen die Koalitionsspitzen. Ich glaube aber, es wird einen Kompromiss geben, den alle mittragen können. Es ist ja schon mal ein gutes Signal, dass das Thema einvernehmlich von der Tagesordnung im Familienausschuss am Mittwoch genommen wurde.

Es wird vermutet, dass die FDP beim Betreuungsgeld nur deshalb auf die Barrikaden geht, weil einige CDU-Ministerpräsidenten am vergangenen Freitag im Bundesrat für die Frauenquote gestimmt haben. Und die ist Ihrer Partei ein Dorn im Auge.

Ich bin im Namen der FDP und persönlich gegen eine starre Regelung. Aber es ist nicht so, dass wir Liberale nirgendwo Frauen beteiligt haben wollen – nur nicht unter gesetzlichen Maßnahmen. Ich will beides nicht: keine Frauenquote und auch kein Betreuungsgeld.

25 Sep 2012

AUTOREN

Simone Schmollack

TAGS

FDP
Betreuungsgeld
FDP
Aigner

ARTIKEL ZUM THEMA

Umstrittenes Betreuungsgeld: SPD plant Verfassungsklage

Sollte das Betreuungsgeld von der Koalition beschlossen werden, will die SPD vors Verfassungsgericht ziehen. Der CSU warf sie vor, sich vom Kitaausbau freikaufen zu wollen.

Betreuungsgeld und Kassenbeiträge: Die Koalition dealt für den Frieden

Die FDP will die „Herdprämie“ mittragen und dafür Beiträge für die Krankenkassen senken. Will Schwarz-Gelb so den Koalitionsfrieden wahren?

Kommentar Betreuungsgeld: Tausche Gebühr gegen Prämie

Die Praxisgebühr, eine unsoziale Maßnahme, wird abgeschafft. Eine andere, das Betreuungsgeld, wird eingeführt. Bis sie wieder abgeschafft wird.

Brüderle über Betreuungsgeld: FDP wird Herdprämie wohl mittragen

FDP-Fraktionschef Brüderle lässt durchblicken, dass das Betreuungsgeld an seiner Partei nicht scheitern werde. Es soll aber „etwas Vernünftiges“ hineinverhandelt werden.

Leiharbeit in Kitas: Erzieherin zum Lückenstopfen

In Kitas arbeiten immer mehr LeiherzieherInnen. Denn ab August 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr. Und der Markt leergefegt.

Großprojekte der Koalition: Rösler allein gegen die Union

Verfehlt, zu teuer, schädlich: FDP-Chef lässt kein gutes Haar an zentralen Themen von CDU und CSU wie dem Betreuungsgeld. Ein solider Haushalt, das sei das Wichtigste.

Seehofers Höhenflug: Der absolute Horst

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer hat vor dem CSU-Parteitag prächtige Laune: Die uneingeschränkte Macht ist wieder in Reichweite.

Kommentar Betreuungsgeld: Schwarz-gelbe Spielchen

Beim neuerlichen Streit um die Herdprämie spielen Inhalte keine Rolle mehr. Dabei hätte gerade die FDP einiges an Verhandlungsmasse.

Streit um Betreuungsgeld: Berliner Koalitionstheater

Die Koalition wird mal wieder auf die Probe gestellt. Die FDP fühlt sich ungerecht behandelt und verlangt eine Gegenleistung für die Zustimmung.

Koalitionskrach um Betreuungsgeld: Die FDP blockiert Unions-Vorschlag

Die schwarz-gelbe Koalition streitet weiter um das Betreuungsgeld. Die FDP lehnen die Unionspläne ab. Die Koalition soll aber nicht vor dem Bruch stehen.

Psychologin zum Betreuungsgeld: „Kleinkinder werden überrollt“

Viele Eltern wollen ihr Kind erstmal gern zu Hause behalten. Bindungsforscherin Karin Grossmann hat Verständnis. Die Krippen seien oft zu schlecht.

Betreuungsgeld in Schweden: Umstrittene kommunale Leistung

In Deutschland gibt es Streit um das geplante Betreuungsgeld, in Schweden wird es längst ausgezahlt. Die Reaktionen darauf sind gemischt.